Gelsenkirchen; Wohngebiet Wiehagen, aus „a colourful makeover of architecture“.
Gelsenkirchen; Wohngebiet Wiehagen, aus „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis

Architektur zum Leuchten bringen

Paul Eis fotografiert Architektur und gibt Gebäuden mit seinen Farben eine neue Ausstrahlung. Im Interview spricht er über seinen Beitrag zur Ausstellung „380–780 nm“, den Umgang mit Farben und die Wirkung von farbigen Architekturen.

Anlässlich unserer Ausstellung „380–780 nm. Farbe in Architektur und Stadt“ haben wir mit dem Architekten und Fotografen Paul Eis über Farben und ihre Wirkung gesprochen. Sein erfolgreiches Projekt „a colourful makeover of architecture“ stellt eine farbenfrohe Architektur den eintönigen Bauten und grauen Städten entgegen. Nun hat er speziell für die Ausstellung in Düsseldorf Gebäude in NRW fotografiert.

In Ihrem Projekt „a colourful makeover of architecture“, das nun auch Teil der Ausstellung „380–780 nm. Farbe in Architektur und Stadt“ ist, fotografieren Sie markante Gebäude und geben diesen einen neuen, sehr farbenfrohen „Anstrich“. Wie kam es dazu und welche Wirkungen haben Farben auf Sie? 

Paul Eis: Das Projekt selbst läuft tatsächlich schon über eine relativ lange Zeit – bereits bevor ich mein Studium begonnen habe, also jetzt seit rund neun Jahren.
Es ist schon sehr unterschiedlich, aber auch vermischt, was ich in den letzten Jahren in professioneller, aber auch künstlerischer Hinsicht gemacht habe. Dabei ich bin immer wieder auf das Thema Farbe zurückgekommen, um die Farbe als zusätzliches Gestaltungselement einzusetzen, anstatt mich nur auf Formen zu beschränken.
Das Büro, in dem ich zurzeit arbeite und das ich mitgestalten durfte, ist zum Beispiel auch komplett gelb, was vielleicht dem Klischee von Architekturbüros, in denen immer alles möglichst weiß oder schwarz ist, widerspricht. Wir wollten aber als junges Architekturkollektiv mit unserem Büro, das von außen sehr sichtbar ist, ein Statement setzen.

Farbe ist für mich eine Möglichkeit, Geschichten zu erzählen oder den Dingen mehr Tiefe zu geben, die über die Form hinausgeht. Man kann Stimmungen erzeugen und Atmosphären. Es geht darum, etwas auszulösen. Denn es ist natürlich ein Unterschied, ob ein Gebäude mit einem wärmeren Farbton gestrichen ist oder einem kühleren. Das sind Themen, die mich seit vielen Jahren beschäftigen, und das war auch der Impuls „a colourful makeover of architecture“ zu beginnen.

Sie haben sich ja bereits vorher mit Fotografie beschäftigt…

Ich habe mich mit Architekturfotografie beschäftigt und dann kam noch Social Media dazu, 2015 ist das so richtig groß geworden und ein eigenes Genre entstanden: Social-Media-Fotografie. Und da habe ich mich dann auch reingestürzt. In Berlin bin ich auf die Suche gegangen und auf die Plattenbausiedlung in der DDR in Ost-Berlin gestoßen. Die sind formal sehr interessant durch ihre Strukturen, die fast abstrakt wirken durch die Rasterung, aber eben nicht so schön farbenfroh sind. Das gab mir einen weiteren Impuls für mein Projekt.

Sie haben sich für die Ausstellung „380–789 nm“ erstmals jetzt mit Gebäuden aus NRW beschäftigt. Was hat Ihnen daran gefallen und welche Gebäude haben Sie besonders interessiert?

Die Idee war, für die Ausstellung, die ja in Düsseldorf präsentiert wird, auch etwas Lokales zu zeigen. In NRW war ich noch gar nicht unterwegs, es war ein weißer Fleck auf meiner Landkarte. Ich bin im Januar nach NRW gefahren und in viele verschiedene Städte gekommen, insgesamt waren es 14 oder 15 Städte, hauptsächlich in der Rhein-Ruhr-Region, aber auch Münster war dabei. Ich glaube, es waren über 50 Motive, die es auf die Shortlist geschafft haben.

Mir war es vorher nicht so bewusst, aber NRW ist sehr geprägt von Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren. Und die sind wirklich extrem dominant und definieren die Stadtbilder. Was ich zum Beispiel in Mülheim an der Ruhr gesehen habe, war ein Shopping Center und vier Hochhäuser – überspitzt gefragt: Ist das jetzt die Stadt? Ich habe auch in Bochum die Ruhr-Uni besucht, die ja selbst eine Stadt ist und in einem Stil durchgezogen ist. Das kannte ich zuvor nicht in diesen Dimensionen, und vor allem nicht so stadtbildprägend, in Deutschland. Ich lebe seit 2016 in Österreich, da ist alles generell viel kleiner strukturiert, die Architektur eher kleinmaßstäblich, und wenn größere Dinge gemacht werden, dann eher verspielt. Daher haben mich die Großstrukturen sehr interessiert.

Bonn, Kreuzbauten (Bundesministerium für Bildung und Forschung), Planungsgruppe Stieldorf aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Bonn, Kreuzbauten (Bundesministerium für Bildung und Forschung), Planungsgruppe Stieldorf aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Herne, City Wohntürme, Gerald Blaschek aus „a colourful makeover of architecture“ von Paul Eis. Foto: Paul Eis
Herne, City Wohntürme, Gerald Blaschek aus „a colourful makeover of architecture“ von Paul Eis. Foto: Paul Eis
Gelsenkirchen; Wohngebiet Wiehagen, aus „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Gelsenkirchen; Wohngebiet Wiehagen, aus „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis

Das zeigt sich auch in den Bildern, die ich bearbeitet habe. In Herne waren es die Wohntürme, in Bonn das Bundesminsterium für Bildung. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, waren die Bauten von Harald Deilmann, also in Münster, Dortmund und Düsseldorf. Das ist ja fast schon ein Branding, das er in Architektur gegossen hat. Seine Gebäude haben für meine Fotografie extrem gute Vorlagen geliefert.

Sie arbeiten viel auf Instagram, das ein bestimmtes Format, einen bestimmten Look vorgibt. Was gefällt Ihnen am Format Ausstellung? 

Der größte Unterschied zwischen Instagram und Ausstellungen ist, dass Instagram sehr, sehr kurze Geschichten erzählt. Also mit einem Bild arbeitet oder ein paar Bildern hintereinander und einem Text, der eigentlich nach einer Zeile schon nicht mehr gelesen wird. In einer Ausstellung gibt es die Möglichkeit, Narrative aufzuspannen, die über dieses eine Werk, diese eine Perspektive oder eben diesen einen Satz hinausgehen. Genau das wird im Fall der Ausstellung zur Farbe getan, in der man sich gut und gerne längere Zeit aufhält und verschiedenste Positionen miteinander vergleichen kann.

Eines meiner größten Probleme mit dem Medium Instagram ist, dass dort Ambivalenz keinen Platz hat. Und da ist eine Ausstellung ein super Ort, weil man ein Thema über verschiedene Ebenen spielen kann, also nicht nur einfach Bilder aufhängt, die vielleicht unterschiedlich sind, von unterschiedlichen Künstler*innen stammen, sondern auch Veranstaltungen, Führungen anbietet und auf multimediale Art und Weise ein Thema erzählt.

In Ihren Fotos gibt es vereinzelt Grüntöne, vorwiegend benutzen Sie aber eher warme Töne. Was ist der Grund dafür?

Das ist tatsächlich relativ banal und nicht bewusst entstanden. Ich nutze immer diesen blauen Hintergrund als Startoberfläche, auf der die Gebäude stehen. Eine Zeit waren z. B. sehr pastellige Töne angesagt. Mein Idee war das Gegenteil von Anpassung, von Schlichtheit, sondern tatsächlich der Architektur eine Leuchtkraft zu verleihen, die direkt auffällt. Und da waren Rot-, Gelb- und Pinktöne diejenigen, die am ehesten auf dem blauen Hintergrund diese Wirkung erzielen.
Das Gesamtbild ist auch wichtig, wenn man an Social Media denkt. Es gibt diese zwei Ebenen: Es gibt das Bild – und das ist ein Unterschied zur Ausstellung, weil man dort auswählen kann, welche Bilder man zeigt und wie man sie zeigt. Auf Instagram gibt es aber neben dem einzelnen Foto noch das das Grid, also das Gitternetz, wo alle Bilder gesammelt gezeigt werden, das man nicht beeinflussen kann. Also eine zweite Betrachtungsebene, wo man die Fotos als Ganzes, als Sammlung sieht. Dafür müssen die Fotos farblich zueinander passen.

Mailand, IULM 6, 5+1AA Alfonso Femia, Gianluca Peluffa; aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Mailand, IULM 6, 5+1AA Alfonso Femia, Gianluca Peluffa; aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Berlin, Hochhaus Bartningallee 11-13, Internationale Bauaustellung 1957, Raymond Lopez, Eugene Beaudouin; aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Berlin, Hochhaus Bartningallee 11-13, Internationale Bauaustellung 1957, Raymond Lopez, Eugene Beaudouin; aus der Serie „a colourful makeover of architecture“. Foto: Paul Eis
Hamburg, Marco-Polo-Tower, Behnisch Architekten aus der Serie „a colourful makeover of architecture“ von Paul Eis. Foto: Paul Eis
Hamburg, Marco-Polo-Tower, Behnisch Architekten aus der Serie „a colourful makeover of architecture“ von Paul Eis. Foto: Paul Eis

Sie haben viele großmaßstäbliche Bauten fotografiert. Wären für Sie auch Kirchen, Parkhäuser oder Einfamilienhäuser interessant?

Ich habe mich eher auf Gebäude fokussiert, die auf der einen Seite einen gewissen Grad an Abstraktion haben und auf der anderen Seite eine Ikonographie aufweisen.
Die Gebäude haben meistens einen ähnlichen Maßstab, irgendwas zwischen fünf und vielleicht 20 Geschossen. Das gibt mir die Möglichkeit, Farbabstufungen zu erzeugen, die mehr sind als nur einzelne Flächen, wie das jetzt bei einem Einfamilienhaus der Fall wäre.

„Mir gefallen die Gebäude der 1960er/70er Jahren gut, die haben diese Klarheit.“ – Paul Eis

Dabei sind dann die Möglichkeiten relativ begrenzt, um eine abstrakte Wahrnehmung zu erzeugen. Gleichzeitig muss das Gebäude aber so konkret sein, dass die Gesamtform fassbar ist. Beim Bundeskanzleramt in Berlin, ein flacheres, längeres Gebäude, hat das Foto als Grafik nicht wirklich funktioniert. Auch Kirchen sind meistens eher verspielt oder kleinteilig, auch da fehlt die Abstraktion. Deswegen gefallen mir die Gebäude 1960er/70er Jahren so gut, die haben diese Klarheit.

Sie arbeiten als Architekt und Gestalter. Wie hat sich Ihr Umgang mit Farben geändert? 

Gibt Gebäuden die Farbe zurück: Architekt, Gestalter und Fotograf Paul Eis.
Gibt Gebäuden die Farbe zurück: Architekt, Gestalter und Fotograf Paul Eis.
Interessanterweise würde ich sagen, dass mein Umgang mit Farbe kritischer und bewusster geworden ist. Ich werde sicherlich so schnell kein Architekt werden, der einfach nur, weil er die Farbe nicht mag, alles monochrom macht.
Aber es gibt einen Unterschied zwischen der künstlerischen, medialen Arbeit und meiner Arbeit als Architekt. Meine Fotos sind nicht als 1-zu-1-Übersetzung zu verstehen. Sie sind nicht umsetzbar und ich würde das auch nicht gerne sehen. Der Einzelfall wäre vielleicht interessant, aber im Großen und Ganzen ist es nicht meine Vision, dass wir eine Welt haben, die mit 100 Prozent deckenden Lacken überzogen wird.
Aber wenn ich jetzt Gebäude oder Orte neu konzipiere, dann denke ich Farben und Materialien sehr früh mit.

In der Ausstellung wird auch die Frage aufgeworfen, wie sich unser Umgang mit Farbe ändert, wenn wir beim Bauen und Umbauen Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel viel stärker berücksichtigen. Wie schätzen Sie das ein?

Ich glaube, dass das ein interessanter Aspekt ist, wenn es um Themen wie Umbauen und Erhaltung von Bestand geht. Das sind ja die großen Schlagworte in der Architektur. Farbe ermöglicht es, mit geringen Ressourceneinsatz und relativ schnell ein bestehendes Gebäude komplett zu verwandeln, also einen Imagewandel zu vollziehen, und daraus einen Ort mit positiver Ausstrahlung zu machen. Und es verbraucht weniger Ressourcen, als das Gebäude abzureißen. Häufig sind Abrisse von Gebäuden technisch auch nicht unbedingt notwendig, sondern werden gemacht, weil sie als Schandfleck bezeichnet werden oder weil sie hässlich ausschauen.

Der Einsatz von Farbe erzeugt eine narrative Energie, man kann damit Geschichten erzählen; und ein schwarzes Gebäude löst etwas anderes aus als ein weißes Gebäude oder ein komplett Buntes. Ich sehe für den Einsatz von Farbe besonders im städtebaulichen, also urbanistischen Kontext ein extremes Potenzial.


Weitere Informationen zu Paul Eis

Instagram: @eis_works und @the_architecture_photographer 
(Projekt a colourful makeover of architecture)
Website: https://www.paul-eis.com

Weitere Informationen zur Ausstellung

Die Ausstellung „380-780 nm. Farbe in Architektur und Stadt“ ist von 26. Mai bis 28. Juni 2024 in Düsseldorf in der Halle an der Hansaallee 190 zu sehen.

Ihre Kontakte für diesen Bereich

Peter Köddermann

Peter Köddermann
Ausstellungsformate

T 0209 402 441-0
Iris Tritthart

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Ausstellungssekretariat

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