Die Eisberge in Aarhus.
Die Eisberge in Aarhus. Foto: hanlucao via Flickr, CC BY-SA 2.0

Der versteckte Eisberg in Aarhus. Ein Bericht von verschenktem Potenzial in der Stadtplanung

Großstadt im Aufbruch, Studentenstadt, Kulturhauptstadt - dies alles ist Aarhus in Dänemark. Auch für Architekturinteressierte bietet sie vieles. Anette Kolkau hat sie besucht und den "Eisberg" gesucht - ein Wohnungsbau, der Architekturexperten begeistert, unsere Autorin aber ernüchterte.

2017 war die dänische Stadt Aarhus Kulturhauptstadt Europas. Für viele Menschen ist dies ein Grund, um sich die mit 311.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Dänemarks anzuschauen und zu erleben. Ein weiterer: Sie ist eine vitale Studentenstadt, sie ist eine Stadt im Strukturwandel, sie ist eine Stadt mit einem eindeutigen nordischen Charme, dem man sich kaum zu entziehen vermag. Außerdem ist Aarhus eine Stadt, die nach architektonischen Zeichen für ihre Zukunftsgewandheit sucht und sie an einigen Punkten und Ecken auch gefunden hat.

Schwerpunkt dieser Aufbruchsinszenierung ist eindeutig an der Wasserkante der Stadt zu finden. Diese begrenzt die Stadt im Osten, mehrere Hafeneinfahrten sind hier parallel zur Küste in die Ostsee gebaut worden. Der innerste Teil, der dem Stadtkern am nächsten liegt, wird mit einer Reihe von Kulturbauten sowie Wohnungsbau der Kernstadt zurückgegeben. Da ist das Dokk1 mit Bibliothek und Veranstaltungssälen; da ist die großzügige Promenade mit Platzaufweitungen, die im Sommer 2017 noch nicht ganz fertiggestellt war, und da ist ein weitläufiges Wohnquartier. Mit Hochhausriegeln mit Meerblick, in der Folge mit zum Teil schattigen Straßen, durch die eine steife Brise weht.

Zackige Gebäudeskulpturen bilden den Eisberg

Und irgendwo - ganz am Ende - liegt der Eisberg, gestrandet vor Aarhus: eine zackige Gebäudeskulptur, die zum Wettbewerbsentscheid 2008 die Fachwelt begeisterte. Die Fotos der Gebäude lösten nach der Fertigstellung 2013 eine zweite Welle der Begeisterung aus – zumindest bei einigen Experten. Die anderen haben immerhin die markante Linienführung im Gedächtnis behalten, die die vier Architekturbüros Julien de Smedt JDS (Kopenhagen), Louis Paillard (Paris), SeArch (Amsterdam) und CEBRA (Aarhus) zusammen entwickelt haben. Der erste Baustein für das neue Hafenviertel „De Bynære Havnearealer“ war gelegt.

Mit dem Bild von der Eisberglandschaft im Kopf geht der architekturinteressierte Besucher Richtung Hafen und sieht: nichts! Vom Stadtzentrum kommend, sieht er nicht die kleinste Spitze des Eisbergs. Obwohl man sich sicher ist, dass die Gebäude nur hier stehen können und man sie auch eben vorher noch in einem textilen Kunstwerk im ARoS Kunstmuseum entdeckt hat.

Stadtplanung nicht nachvollziehbar

Kühl und trist: Die Balkone und Pflanzkübel des Wohnkomplexes in Aarhus. Foto: hanlucao via Flickr, CC BY-SA 2.0
Kühl und trist: Die Balkone und Pflanzkübel des Wohnkomplexes in Aarhus. Foto: hanlucao via Flickr, CC BY-SA 2.0

Um die Architektur in Augenschein nehmen zu können, muss der Besucher lange, windige Straßen entlanggehen und monströse Gebäuderiegel – Wohnhochhäuser – passieren. Diese sind so hoch, dass sie tatsächlich eine mehrschichtige Sicht-Barrikade abgeben. Es lässt sich nicht mal mehr vermuten, dass dahinter tatsächlich der Eisberg liegt.

Die Stadtplanung ist an dieser Stelle nicht nachzuvollziehen, sie vergibt die Präsentation eines Architekturbildes, das ein selbstbewusstes neues Stück Stadt transportiert. Die Idee einer Architekturbildes ist hier komplett verschenkt, und dabei ist der Ansatz beachtenswert: Für die 25.000 Quadratmeter Wohnfläche ist, zumindest für ein Drittel der Wohnungen, eine Mietpreisobergrenze festgelegt worden, um eine soziale Durchmischung zu erzeugen.

Zwischen Vollversiegelung und extremer Verschattung

Enttäuschend ist auch die direkte Begegnung mit der Architektur, wobei zwei Dinge auffallen. Zum einen die Vollversiegelung der Erschließungsflächen, was für die Gesamtskulptur vielleicht schlüssig sein mag, aber in der Ausführung mit einer gewöhnlichen Teerdecke befremdlich wirkt. Die Versuche der Bewohner, sich mit Hilfe von Pflanzenkübeln auf die kahle Fläche ein wenig grüne Privatsphäre zu zaubern, wirken traurig und etwas bemüht. Zum anderen herrscht in den Gebäudeschluchten extreme Verschattung – etwas, das Anwohner im Norden nicht gebrauchen können. Kühle Atmosphäre – in jeder Hinsicht. Vielleicht war es so gewollt bei diesem Eisberg und wir verstehen es nur nicht. Wohnen möchte man dort vielleicht, Leben dagegen nicht.

 

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