„Dass man die Situation nicht einschätzen kann, ist Teil des Reizes und auch der Drohung“, sagt Krebber. Bis zum 24. Juli 2016 zeigt das Museum Folkwang in Essen seine Ausstellung „Antikörper/OTC“. Diese zeigt, wie Kunst und Architektur neue Wahrnehmung ermöglichen.
Die Ausstellung „Antikörper/OTC“ ist ein Vexierspiel mit den Materialien. Dafür hat sich der gelernte Bildhauer Gereon Krebber Kunststoffe, Holz und Metall geschnappt und sie dem (Museums-)Raum ausgesetzt. Oder entgegengesetzt? Denn Krebber begreift seine Arbeit als Intervention in das Gebaute, als Auseinandersetzung mit der Architektur.
Da liegen Bodenplastiken (Trennstück I & II) im Foyer, Stolperkanten sowohl im wörtlichen Sinne als auch für die Wahrnehmung. Krebber hat gespachtelt, gegossen, gestrichen und diese Kanten sowie Leisten so geformt und gesetzt, dass sie überstehen, über Wände und Ecken hinausragen, an Klingen erinnern. Krebber: „Das Trennen und Reinschneiden ist etwas, das mir Spaß macht.“
Mit Freude am humorvollen Widerstand
In diesem Sinne ist wohl auch das Fallbeil zu deuten. Dem Empfangsbereich wird etwas entgegengestellt. Dort am Informationstresen, wo Begrüßung stattfindet, droht eine Gefahr. Es konterkariert die Willkommensgeste des Eingangsbereichs im Museum", erläutert der Künstler, sichtlich erfreut am humorvollen Widerstand.
Eine weitere Ebene eröffnet der Titel selbst: OTC steht für „over the counter" und bezeichnet rezeptfrei verkäufliche Medikamente. Dabei werden „Nebenwirkungen“ hingenommen - beim Museumsbesuch sind es Verhaltensregeln, Deutungsregeln oder die Räume selbst: Vorgaben, denen sich die Benutzer beugen. Aber egal, ob Klinge oder Stolperkante: Gereon Krebbers Skulpturen im Raum offenbaren einen Blick auf die brüchige Ebene zwischen Leben und Kunst.
„Die Willkommensgeste im Museum konterkarieren“.
Gereon Krebber zum Stück OTC.
Ein Blick in den Innenhof. Etwas liegt dort. Riesig, massig - mit Dellen, Löchern und Schnitten deformiert. Ein gewaltiger Körper, walhaft, eine Aquariensituation entsteht für den Betrachter. Krebbers Spiel mit dem Unerwarteten und Gegensätzlichen wird an dieser Stelle besonders deutlich. Zunächst wirft das Objekt Fragen auf, wie der Künstler selbst formuliert: „Für den Betrachter ist das eine Erfahrungsdarstellung: 'Was soll das?'“ Und später komme die Frage hinzu: „Was ist das?“
Darüber hinaus bezieht sich Krebbers abstrakte Skulptur auf den Raum. Der Hof mit seiner Rasenfläche, dem Glas, das die Museumsräume vom Hof trennt, das Innen vom Außen. „In diesem Zwischen- und Innenraum zeigt sich die Architektur mit einer Demonstration von Licht“, erläutert Gereon Krebber. Und so ist seine „Bitumen-Orgie“ der an einen Wal erinnernde Konterpart zur Leichtigkeit der Architektur.
Die Schwere des Objekts und die Leichtigkeit der Architektur
Auch die Kunstwerke im zweiten Innenhof spielen mit Leere und Fülle. Zwischen zwei Bäumen stehen dort drei Aluminiumbecken - eine fast japanisch anmutende Szene. Schwömme in den Becken nicht eine violett-opake Flüssigkeit (es ist Kaliumpermanganat), es könnten auch kleine Zierkästen sein, wie es der Innenhof erwarten ließe. Oder sind es Luken? Für Gereon Krebber ist seine Arbeit in jedem Fall eine Herausforderung für die Wahrnehmung.