Podiumsdiskussion auf dem Fachtag „Gelingensfaktoren und Best-Practice für die alter(n)sgerechte Stadtentwicklung“ mit (von links): Jörg Süshardt (Leiter Sozialamt Dortmund), Peter Köddermann (Baukultur NRW), Ulrich Christofczik (Ruhrgebietskonferenz Pflege) Barbara Steffens (Techniker Krankenkasse), Melanie Wielens (Moderatorin) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen.
Wie Städte die Bedürfnisse und Pflege älterer Menschen berücksichtigen
Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen fand am 6. Dezember 2022 der Fachtag „Gelingensfaktoren und Best-Practice für die alter(n)sgerechte Stadtentwicklung“ statt. Ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer „Internationale Pflegebauausstellung“.
Schwerpunkte der Fachtagung Gelingensfaktoren und Best-Practice für die alter(n)sgerechte Stadtentwicklung“ im Wissenschaftspark Gelsenkirchen am 6. Dezember lagen in den Fragen: Wie lassen sich die Bedürfnisse ältere Menschen in der Stadtplanung besser berücksichtigen? Wie hilft Digitalisierung in Wohnungen und im Quartier, das Leben im Alter gesünder, sicherer, aktiver, selbstbestimmter zu gestalten? Und wie lässt sich die Pflege besser unterstützen und in die Stadtentwicklung integrieren? Dazu gab es mehrere Vorträge und eine Podiumsdiskussion. Veranstalter waren „CareTrialog“, „MedeCon Ruhr“ und andere Partner.
Zu Beginn stellte Moderatorin Melanie Wielens die Frage: Woran erkennt man, dass Nordrhein-Westfalens Städte altersgerecht sind? Und: Wie berücksichtigen die Städte Bedürfnisse ältere Menschen? Auf dem Podium diskutierten dazu Barbara Steffens (Techniker Krankenkasse), Ulrich Christofczik (Ruhrgebietskonferenz Pflege), Peter Köddermann (Baukultur NRW) und Jörg Süshardt (Sozialamtsleiter Dortmund).
Von der Funktion zum Sozialen
Peter Köddermann wies auf den Wandel in der Stadtplanung hin – von einer funktionalen Orientierung zu sozialen Qualitäten. Dass es bisher vorrangig um Individualverkehr und Mobilität ging und weniger um eine Entwicklung, die eine alternde Gesellschaft berücksichtigt, betonte Barbara Steffens.
Mit Blick auf das Alter sagte Ulrich Christofczik: „Alter ist so bunt und vielfältig wie noch nie. Aber wir gehen darauf noch mit alten Herangehensweisen ein. Unsere aktuellen Systeme werden den zukünftigen Anforderungen nicht mehr gerecht.“ Er sieht ein großes Potenzial in den Menschen zwischen 65 und 75, die nicht mehr arbeiten, sich aber noch beteiligen und engagieren wollen.
Jörg Süshardt lenkte den Blick auf die Zusammenarbeit. Noch schaue jede Kommune auf sich allein, alle stünden aber vor den gleichen Herausforderungen.
Problem der Umsetzung
Einig war sich die Runde, dass es kein Erkenntnisproblem gibt, sondern ein Problem der Umsetzung. Da blickte man vor allem auf die Politik. Kommunen müssen gestärkt werden und es muss Demografie übergreifend gedacht werden – ein Votum für einen gesamtheitlichen Ansatz der Pflege, Quartiere, Wohnungsbau, Gestaltung zusammendenkt. Zu häufig entwickle man noch aus dem einzelnen Objekt heraus, statt die Perspektive zu vergrößern und aus dem Quartier heraus zu planen, ergänzte Peter Köddermann. Digitalisierung ist hilfreich in der Pflege, kann aber nicht alles leisten. Ulrich Christofczik dazu: „Pflege ist Beziehungsarbeit.“ Barbara Steffens fügte hinzu: „Wir brauchen einen anderen Umgang mit Digitalisierung“:
Drei Vorträge fächerten die Diskussion auf. Alexia Zurkuhlen von der Gesundheitsregion Köln-Bonn stellte das EU-Projekt „Shapes“ vor. Darin geht es um einheitliche Mindeststandards in der Versorgung älterer Menschen. Untersuchungsregion ist der oberbergische Kreis im Süden von NRW. Dabei werden mehrere digitale Anwendungen eingesetzt, etwa eine Überwachung der Vitalwerte oder auch eine Verknüpfung mehrere Apps, die Wetter-Informationen und Daten einer Fitness-App kombinieren, um Empfehlungen zu geben, wann es am besten ist, die Wohnung zu verlassen. In einem anderen Projekt geht es darum, Pflegeverläufe vorherzusehen – denn die Bedarfe steigen für die zu pflegenden Menschen wie auch für die Angehörigen.
Gute Hoffnung in Oberhausen-Sterkrade
Pflegewirt Stefan Welbers aus Oberhausen-Sterkrade erläuterte das Projekt „Gute Hoffnung“, eine Einrichtung der Neuapostolischen Kirche. Das Seniorenzentrum und Pflegestätte ist zu einer Entwicklungsstelle für das Quartier geworden. „Wir müssen weg von der Medizin hin zu Gesundheit kommen“, beschrieb Welbers den Perspektivwechsel. Seine zentrale Frage: Was erhält Menschen gesund?
Hilfreich dabei sein können Anwendungen aus dem Bereich Ambient Assisted Living (AAL), gelegentlich auch Active Assisted Living genannt. In Oberhausen sind dies unter anderem ein Chatbot, eine Quartiersplattform oder das Forschungsprojekt go4cogniton – ein Trainingskonzept gegen Demenz. Die Einrichtung in Sterkrade ist so erfolgreich, dass die Stadt Oberhausen inzwischen sechs Quartiersbüros gefördert hat.
Planung für den öffentlichen Raum in Kopenhagen
Aus Kopenhagen zugeschaltet war Kristian Ly Serena. Er hat mit Dominique Hauderowicz das Buch „Age-Inclusive Public Space“ herausgegeben. Er skizzierte in seinem Vortrag, dass herkömmliche Stadtplanung und Architektur auf jüngere Menschen ausgerichtet ist – und Ältere meist vernachlässigt werden. Heutige Städte verlangten eine hohe Mobilität, die aber im Alter häufig abnehme. Um so mehr gewinnt in diesem Lebensabschnitt die lokale Umgebung an Bedeutung.
Diese und der öffentliche Raum haben große Auswirkung auf das alltägliche Leben. Um sich zugehörig zu fühlen, so Ly Serena, sind für den Einzelnen die Bedeutung von Orten und die emotionale Bindung daran sehr wichtig. Und wenn sich dann der Lebens- und Bewegungsradius verkleinert, sei es entscheidend, den privaten Raum zum Öffentlichen zu öffnen.
Vom Parkplatz zum öffentlichen Raum
Ein Beispiel aus Seeland in Dänemark veranschaulicht dies: Der Gang zum Supermarkt wird von älteren Menschen als wichtiger sozialer Moment erfahren. Ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Der zugehörige Parkplatz wurde in einem Projekt in einen kleinen öffentlichen Platz umgewandelt, von dem die Senioren profitieren, aber eben auch der Supermarkt. Während der Markt dort Blumen und bestimmte Angebote ausstellt sowie Kaffee verkauft und Veranstaltungen organisiert, nutzen die Menschen den neuen Raum für Gespräche und Treffen. Entscheidender Ansatz für Kristian Ly Serena: „Wir müssen das Angebot zu den Menschen bringen.“
Preisverleihung zum Abschluss
Am Ende der Fachtagung wurde der Award „Glücksmomente stiften – für mehr Teilhabe im Quartier unter Einbindung digitaler Angebote“ verliehen. Ausgezeichnet wurde: digital.vital – Seniorenportal und Nachbarschaftstische vom Amt Hüttener Berge.
Nach der Preisverleihung (von links): Erich Schützendorf, Verein Glücksmomente stiften; Preisträgering Anne von Laufenberg-Beermann, BAGSO; Tanja Ehret, CareTrialog; Preisträgerin Laura Kremeike, Amt Hüttener Berge; Barbara Steffens, Techniker Krankenkassen; Roland Weigel, Konkret Consult Ruhr GmbH; Moderatorin Melanie Wielens, Manfred Heider, Verein Glücksmomente stiften. Foto: Peter Köddermann
Der Verein „Glücksmomente stiften“ hatte in Zusammenarbeit mit „CareTrialog“ durch die Auslobung des Awards „Glücksmomente stiften” einen Beitrag geleistet, dass Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen mehr Lebensqualität und Teilhabe erfahren.
Die Jury, die alle Bewerbungen geprüft hat und den Sieger kürte, setzte sich zusammen aus Erich Schützendorf, Verein Glücksmomente stiften; Mechthild Mösenfechtel, IMMAC group; Barbara Steffens, Techniker Krankenkasse; Prof. Dr. Caroline Günther, Frankfurt University of Applied Sciences; Dr. Bodo de Vries, Ev. Johanneswerk; Roland Weigel, Ruhrgebietskonferenz Pflege sowie Prof. Dr. Elisabeth Bubolz-Lutz, Universität Duisburg-Essen, hat alle Bewerbungen eingehend geprüft und den Sieger gekürt.
(Editorische Notiz, 14.12.22: Im Artikel wurden an einigen Stellen Schreibweisen und Namen korrigiert sowie der Beitrag um die Nachricht zur Preisverleihung ergänzt.)
Die Internationale Pflegebauausstellung 2022plus möchte die Bedeutung der Pflege- und Gesundheitswirtschaft für den Strukturwandel im Ruhrgebiet sichtbar machen. Zum Auftakt laden die Veranstalter*innen zu einem zweitägigen Symposium am 5. und 6. Mai in den Wissenschaftspark Gelsenkirchen ein.
Die starken Luft- und Wasserverschmutzungen der Industrie sind in unseren Städten zwar zurückgegangen, doch das städtische Leben hat weiterhin erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit – oft mehr, als uns bewusst ist.
Die Hochschule Bochum hat die erste Ruhr Charta StadtGesundheit veröffentlicht. Baukultur NRW ist eine von 25 Institutionen, die die Charta unterzeichnet haben.
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