Frauen* im Bau: Historische Strukturen überwinden und neue Perspektiven in die Baustelle bringen.
Frauen* im Bau: Historische Strukturen überwinden und neue Perspektiven in die Baustelle bringen. Foto: Sebastian Becker

Baustelle Gleichberechtigung: Frauen* im Bauhandwerk

Frauen* sind im Bauhandwerk bis heute stark unterrepräsentiert. Historisch gewachsene Strukturen, Vorurteile und fehlende Vorbilder tragen dazu bei, dass sich daran wenig geändert hat. Doch eine geschlechtergerechte Baukultur braucht den Wandel – und die Perspektiven von Frauen*.

Bauen ohne Frauen*?

Frauen* sind im Handwerk massiv unterrepräsentiert – das gilt im Besonderen für das Baugewerbe. Auf der Baustelle oder in der Bauausführung arbeiten bis heute nur sehr wenige von ihnen. Von den gewerblich Beschäftigten im Bauhauptgewerbe, also Maurer*innen, Zimmer*innen, Dachdecker*innen oder Betonbauer*innen, sind gerade einmal 1,5 Prozent Frauen*. In den Ausbauberufen wie Elektriker*innen, Maler- und Lackierer*innen oder Anlagenmechaniker*innen für Sanitär, Heizung und Klima liegt ihr Anteil mit 3,5 Prozent nur geringfügig höher.

Ganz anders sieht es in den planerischen und gestaltenden Berufen aus: Von den Bauzeichner*innen, Architekt*innen oder Bauingenieur*innen ist knapp ein Drittel der Beschäftigten weiblich*. Es fällt auf: Je höher das Qualifizierungsniveau, desto größer der Anteil von Frauen* in der Baubranche.

Warum sind handwerkliche Bauberufe in Deutschland bis heute so stark tradiert männlich geprägt?

Foto: Sebastian Becker
Foto: Sebastian Becker
Oft wird behauptet, Frauen* seien körperlich weniger belastbar, könnten handwerkliche Tätigkeiten schwerer ausführen oder Familie und Beruf schlechter vereinbaren. Doch die Gründe für die geringe Repräsentanz von Frauen* im Bauhandwerk liegen nicht in den biologischen Voraussetzungen, sondern in tief verwurzelten gesellschaftlichen und kulturellen Normen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie diese Strukturen entstanden sind – und warum sie bis heute nachwirken.

Geschichte der Ausgrenzung und des Widerstands

Die Ausgrenzung von Frauen* im Bauhandwerk hat eine lange Tradition. Während Ende des 19. Jahrhunderts noch viele Frauen* als Bauhelfer*innen tätig waren und Baustoffe wie Mörtel und Stein auf den Baustellen transportierten, versperrten rechtliche Vorschriften Anfang des 20. Jahrhunderts Frauen* zunehmend den Zugang zum Handwerk.

Besondere Arbeitsschutzvorschriften für Frauen* waren erstmals in der Gewerbeordnung von 1878 enthalten. Diese sollten sie vor übermäßig langen Arbeitszeiten und schwerer körperlicher Belastung – unter anderem auf Baustellen – schützen. Doch aus Schutzvorschriften wurden faktisch Beschäftigungsverbote. Im Jahr 1912 untersagte eine Novelle der Gewerbeordnung den Gewerbetreibenden, Frauen* im Transport von Materialien auf Baustellen einzusetzen. Zudem blieben Frauen* von der Mitgliedschaft in den 1900 gegründeten Handwerkskammern und der 1911 gegründeten Baugewerkschaft, dem Deutschen Bauarbeiterverband, ausgeschlossen.

Einsatz im Krieg – Ausschluss im Frieden

Während des Ersten Weltkriegs wurden Frauen* vorübergehend bei kriegswichtigen Bauarbeiten eingesetzt. Mit der Gründung des Deutschen Baugewerksbundes 1923 konnten Frauen* erstmals Mitglied einer Baugewerkschaft werden.

Nur zehn Jahre später zerschlugen die Nationalsozialisten die freien Gewerkschaften und hoben die „männliche“ Tradition des Handwerks hervor. 1938 griff die NS-Regierung das Beschäftigungsverbot von 1912 wieder auf und verschärfte es. Im Zweiten Weltkrieg wurden Frauen* erneut herangezogen – etwa, um Trümmer nach Bombenangriffen zu räumen. 1955 wurde in der Bundesrepublik dann aber wieder ein Berufsverbot für Frauen* im Bauhandwerk eingeführt. In der DDR hingegen gab es kein explizites Berufsverbot. Dort wurde der Gesundheitsschutz für Frauen* bei Bauarbeiten nicht durch Verbote, sondern durch Vorschriften wie niedrigere Gewichtsgrenzen beim Tragen schwerer Lasten geregelt – dennoch blieben Baufacharbeiter*innen auch in der DDR eine Ausnahmeerscheinung.

Kritik und langsamer Wandel ab den 1960er Jahren

Ab 1965 wurde das Beschäftigungsverboten in der Bundesrepublik zunehmend kritisiert. Es diskriminiere Frauen* beruflich, da es sie ohne Rücksicht auf ihre individuelle Eignung von bestimmten Berufen und Tätigkeiten ausschließe. 1970 überprüfte die Bundesregierung die Verbote und erstellte 1980 eine Liste der für Frauen* zugelassenen Bauberufe. Tätigkeiten im Bauhauptgewerbe, inklusive Maschinenführung und -wartung, blieben Frauen* weiterhin verwehrt.

Trotz der Verbote gab es Frauen*, die Berufe des Bauhauptgewerbes erlernten und ausübten. Ab 1987 vernetzten diese sich in der BRD bei jährlichen Treffen, um sich für ihre uneingeschränkte Berufsausübung einzusetzen. Sie entwickelten Konzepte für einen Gesundheitsschutz, der Frauen* nicht ausschließt, sondern ihre Arbeitsrealität berücksichtigt. Dabei mussten sie ihren Standpunkt mit Nachdruck vertreten, da sie beispielsweise beim Deutschen Bauarbeiterverband, dem Vorläufer der heutigen Gewerkschaft IG BAU, weiterhin unerwünscht blieben.

Nach der Wiedervereinigung wurde das Beschäftigungsverbot für Frauen* im Baugewerbe schließlich am 30. Juni 1994 aufgehoben.

Warum es mehr Frauen* braucht

Trotz der Aufhebung gesetzlicher Barrieren hat sich der Anteil der Frauen* im Bauhandwerk seit dem Jahr 2000 kaum verändert. Vorurteile und Rollenklischees halten sich hartnäckig. Trotz intensiver Werbekampagnen der Bauindustrie bildet das Baugewerbe mit einem Anteil von rund 13 Prozent Frauen* das Schlusslicht aller Wirtschaftsbranchen.

Foto: Sebastian Becker
Foto: Sebastian Becker
Gleichzeitig gibt es positive Entwicklungen: Immer mehr zivilgesellschaftliche Initiativen setzen sich für Frauen* im Handwerk ein. Dazu gehören die Bauhandwerkerinnen – ein Berufsnetzwerk für Frauen*, trans* und inter* Personen im Baugewerbe sowie die Initiative Klischeefrei, die sich für eine Berufs- und Studienwahl ohne Geschlechterklischees einsetzt und Unternehmen dazu aufruft, ihre Haltung zu hinterfragen. Auch das Handwerkerinnenhaus Köln leistet wichtige Arbeit: Als Lern- und Bildungsort eröffnet es Mädchen und Frauen* in praktischen Werkstattprojekten neue berufliche Perspektiven und hinterfragt tradierte Rollenbilder.

Gemeinsam die Baustelle Gleichberechtigung anpacken

Diese Initiativen zeigen: Ein Wandel hin zu einer geschlechtergerechteren Bau- und Handwerksbranche ist möglich – und dringend notwendig. Denn die Gesellschaft wandelt sich: Traditionelle Rollenbilder verlieren an Bedeutung, und immer mehr junge Frauen* suchen zukunftsfähige, sinnstiftende Berufe. Gleichzeitig steht die Bau- und Handwerksbranche vor gewaltigen Umbrüchen: Klimawandel, Digitalisierung und Materialknappheit erfordern innovative Lösungen, während es an Fachkräften mangelt.

Das Bauhandwerk kann es sich schlicht nicht mehr leisten, auf die Kompetenzen und Perspektiven von Frauen* zu verzichten. Sie bringen neue Ideen in Planung, Gestaltung und Bauausführung ein und tragen zu einer sozial gerechteren Baukultur bei. Um veraltete Strukturen aufzubrechen und Frauen* langfristig im Bauhandwerk zu stärken, braucht es weiterhin Engagement und kontinuierliche Arbeit. Es ist Zeit, die Baustelle Gleichberechtigung endlich anzupacken, denn die Zukunft des Bauens – nachhaltig, gerecht und vielfältig – kann nur gemeinsam gestaltet werden.

*Der angehängte Asterisk dient als Platzhalter, um alle nicht-binären Geschlechtsidentitäten einzubeziehen.

 

Quellen:

Initiative Klischeefrei (2019): Frauen in Bauberufen: Noch weit entfernt vom Normalfall | Klischeefreie Berufs- und Studienwahl

Bauhandwerker*innen (2017): Ein Beitrag zur Geschichte des Beschäftigungsverbots für Frauen im Bauhauptgewerbe, zur Erwerbssituation und zur Vernetzung von Bauhandwerkerinnen* heute.

Haverkamp et al. (2015): Frauen im Handwerk - Status Quo und Herausforderungen, Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien, No. 97. Mecke Druck und Verlag, Duderstadt. S. 9.

IG Bau (2023): 100 Jahre Frauen in der Baugewerkschaft

Hauptverband der deutschen Bauindustrie e. V. (2024): Arbeitsmarktreport 2024. Frauen am Bau. Eine statistische Analyse.

Das Handwerkerinnenhaus e. V.: Handwerkerinnenhaus Köln e.V. – Lern- und Bildungsort für Mädchen und Frauen

Ihre Kontakte für diesen Bereich

Santana Gumowski

Santana Gumowski
Projektmanagerin UmBauLabor

T 0209 402 441-27
Lillith Kreiß

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