Das Erste, was sich der Mensch gebaut hat, war ein schützendes Dach aus Ästen und Blattwerk. Ein Schutz nicht nur vor den Unbilden des Wetters, sondern vor allem auch ein Schutz für das Herdfeuer. Das Dach bedeckt ein Gebäude. So erst entsteht Raum für vielfältige Aktivitäten. Aber das Dach ist schon lange mehr als nur ein wichtiges Bauteil. Neben Vorder- und Rückseite und den beiden Seitenansichten eines Bauwerks ist das Dach die fünfte Ansicht: repräsentativ, zeichenhaft, stadtbildprägend.
Die steilen Gewölbe der gotischen Kathedralen erschienen den Menschen als Abbild des Himmels. Weithin sichtbare Kuppeln zeugen vom Machtanspruch ihrer Bauherrn. Nicht selten übertraf deren Anspruch Wissen und Erfahrung der Baumeister und Handwerker und die technischen Möglichkeiten der Zeit. Diese Herausforderungen aber waren oftmals Meilensteine in der Entwicklung von konstruktiven und technischen Lösungen. So bedurfte es der kühnen Vorstellungskraft des siebenundzwanzigjährigen Filippo Brunelleschi, um die steil aufragende Kuppel des Florentinerdomes mittels einer genialen Mauertechnik und neuer Maschinen – ohne das bis dahin übliche Lehrgerüst – zu bewerkstelligen. Ein Jahrzehnt lang bestaunten und bewunderten die Bürger der Stadt den Bau der Kuppel hoch über ihren Köpfen.
Über Jahrhunderte vertrauten Baumeister und Handwerker auf Tradition und Erfahrung, denn die statische Berechnung von Bauteilen war ihnen nicht möglich. Als die mächtige Kuppel von Sankt Peter in Rom Mitte des 18. Jahrhunderts Risse zeigte, suchte Papst Benedikt XIV. Rat bei Mathematikern. Er erhielt zwei Gutachten. Sie markieren den historischen Moment, an dem mathematische Berechnung das intuitive Wissen ablöst.
Entwicklung von Eisen und Eisenbeton
Neue Materialien, insbesondere seit Ende des 18. Jahrhunderts Eisen und Eisenbeton, eröffneten neue Horizonte für Dachlösungen. Der Einsatz der neuen Materialien aber erforderte Mut von den Baumeistern und Ingenieuren. So soll der Stadtbaurat Max Berg einen Passanten mit einer Goldmünze gelockt haben. Er half ihm beim Lockern der ersten Spannschrauben der Schalung für die mächtigen Rippen der Kuppel der Jahrhunderthalle in Breslau. Die Arbeiter hatten sich geweigert, denn sie trauten dem neuen Material Eisenbeton nicht.
Nicht immer waren es Bauingenieure, die neue konstruktive Wege gingen. Der Feinmechaniker Walter Bauersfeld erfand auf der Suche nach einer sphärischen Projektionsfläche für seine Sternenbilder das Netzwerk als räumliches Tragwerk. Genaue Naturbeobachtung, die lehrt, wie physikalische Gesetzmäßigkeiten eine natürliche Form bestimmen, regten den Bauingenieur Heinz Isler zu seinen eleganten Schalenkonstruktionen an. Frei Ottos Passion für das Segelfliegen förderte seine Erkenntnisse über Leichtbauweisen. Seine Seilnetz-Konstruktion für den Deutschen Pavillon auf der Expo ’67 in Montreal wurde zu einer Inkunabel der leichten Flächentragwerke. Das Prinzip des Speichenrades inspirierte Jörg Schlaich zu seinen beweglichen Stadien-Überdachungen.
Belastungsproben
Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts mussten nicht selten Belastungsproben am fertigen Dach die letzten Zweifel beseitigen. An aufwendigen Modellen – wie dem Kettenmodell für die Mannheimer Multihalle im Maßstab 1:98,5 – wurde das Tragverhalten geprüft. Heute übernehmen Computer solche Aufgaben und ermöglichen kühne Konstruktionen für spektakuläre Gestaltungen: so die pilzförmige Überdachung im Stadtzentrum von Sevilla oder das 85 Meter auskragende Dach des Cinema Centers im koreanischen Busan.
Die knapp 40 Projekte in der Ausstellung erzählen die Geschichte ihrer Entstehung, sie beleuchten die Besonderheiten der jeweiligen Konstruktion und der Montage vor Ort. So erzählen die Projekte auch von den Innovationen und Leistungen ihrer Ingenieure. Herausragende Bauwerke aber sind immer das kongeniale Gemeinschaftswerk aller am Bau beteiligten.
Empfehlung für die Besucher der Ausstellung: Kopf hoch, es gibt auch draußen viele spannende Dachlösungen zu entdecken!
Die Ausstellung wurde vom 20.11. bis zum 18.12.2014 im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus gezeigt (Ebertstr. 11)
Stegreif der Münster School of architecture: Studierende erarbeiten am Beispiel des UmBauLabors, wie die Rolle von Architektur und Architekturschaffenden in Zukunft aussehen wird. Baukultur NRW unterstützt die Veranstaltung.
14 Jahre hat Ursula Kleefisch-Jobst Ausstellungen entwickelt und realisiert – für das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW und das Museum der Baukultur NRW. Nun geht sie in den Ruhestand.
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