Die Gewinnerin des 7. UrbanSlam Anna Michelle Ußler bei ihrem Vortrag.
Die Gewinnerin des 7. UrbanSlam Anna Michelle Ußler bei ihrem Vortrag. Foto: Mathias Kehren

„Ich habe keine Ideen, keine Konzepte, nur Probleme
und einen Text“

Der 7. UrbanSlam der Architektenkammer NRW fand im Rahmen des Architekturwettbewerbs „Solar Decathlon Europe 21/22“ in Wuppertal statt. Den Beitrag von Gewinnerin Anna Michelle Ußler gibt es hier zum Nachlesen.

Mit ihrem Slam zum Zwiespalt, das Richtige zu wollen und doch das Falsche umsetzen zu müssen, konnte Anna Michelle Ußler den 7. UrbanSlam nach Publikumsentscheid gewinnen. Baukultur Nordrhein-Westfalen präsentiert hier ihren Text.

„Ich hab keine Ideen, Ich hab keine Konzepte, Ich hab nur Probleme und einen Text“

Da geht man zu Uni und lernt wie es geht, dass man schraubt, klemmt, klettet 
und am besten nicht klebt.
Dann hört man vom recyclen, upcyclen, downcylen, reuse.
Rebauty! Denkt euch was aus!
Die Architektur wird großartig, wir machen Klimaschutz draus.
Wir überlegen und tüfteln mit der Erwartung gefüllt:
„Wir machen‘s richtig damit die Zukunft gut, nein viel besser wird.“

In den ersten Semestern des Bachelors oder später dann
Auf jeden Fall kommt der Punkt irgendwann 
plötzlich in der Realität, 
weil das Praktikum beim Architekten ansteht.
Man denkt: „Ja das Büro hab ich ganz gut ausgewählt
Die designen … naja … machen Wettbewerbe und Geld gibt’s auch.
Da kommt was bei rum, da mach ich was draus.“

Nun sitzt ich da mit großem Elan 
Weil ich Gelerntes endlich anwenden kann -
und pipettier‘ – langsam ernüchtert - am Ausführungsplan
Denn was ich dort in ArchiCAD zeichne,
Es ist ja so bequem 
sind Wände in Wärmedämmverbundsystem.

Zurück in der Uni am ausgeklügelten Detail voll Schrauben, Schafwolle und 12 Trillionen anderen Teilen
grübel ich und frag mich: „Wie kann das sein? Hier hab ich gelernt, zu WDVS sagt man: „Nein!“
Man nutz doch stattdessen Holzständerwerke, Strohquader, Module und Vorhangfassaden,
Dämmung aus Hanf, Glasschotter und Jute
Ein Gussasphaltestrich mit Kupferrohren lohnt sich, 
verlockender Rückbau, sortenrein trennbar.
So ist man wieder bei upcycle, downcycle, reuse, rebeauty
Und so ne Ökobilanz zu ziehen, schadet auch nie.

Da sitzt ich nun zwischen den Stühlen und knirsch mit den Zähnen:
Denn wir in der Uni denken und planen,
Wie sieht die Zukunft aus?
Wie wollen wir mit diesem Kahn fortfahren?
Wenn kein Sand, kaum Gas und Öl existieren, wenn die Metalle nicht reichen für die dann sicher schon 80 Prozent Einzelhaushalte?
Wie wohnt man gemeinschaftlich, lernt wieder zu teilen, 
anstatt allein in seiner Zweizimmerwohnung zu verweilen?
Wie kann man umnutzen, neu denken, das Ruder herumreißen?
Und dann resigniert: „Komm Lass mal drauf …“
So dreht man und kreist sich um soziale Probleme, um Politik, das Geld und die Natur.
Multidisziplinär diese Architektur
Dieses kleine Büro ist eines von vielen, die jeden Tag mit den Ressourcen der Erde spielen, schon jetzt so knapp, da im Mai schon verbraucht. Denn statt wie für den Durchschnitt 7 Tonnen per Capita
Kratzt man für uns deutsche 17 Tonnen pro Kopf in einem Jahr.
Aus den Tiefen der Erde.
Aber die Bauherren kommen – Investoren, private – um große, noch größere Häuser zu bauen.
Und am besten kein Geld auf den Kopf zu hauen.
Die Urbane Miene ist leider nicht, was der Bauherr will,
denn das ist nicht neu, sondern allerhöchstens Müll.
Es wird also geklebt, verputzt untrennbar gemacht,
und wenn man etwas sagt wird nur gelacht:
Willkommen in der Realität auf der dunklen Seite der Macht.
   
In einem kleinen Café am Rande der Wupper brauche ich dann eine Pause:
Nach vielem Lesen und Studieren türmt sich der Haufen an Fragen und vertauschten Fakten:

Energie steckt worin? Was rentiert sich nochmal? Was gibt’s noch wie lange?
Fast Fashion, fast Architecture, was gibt’s noch von der Stange?
Ist Holz die Zukunft und modularer Bau, in 3 Jahr’n wieder umplan‘ ohne Supergau?
Werden am Ende nur 70 Prozent davon umgenutztund der Rest ganz geschickt untern Teppich geputzt?
Die Deponien sie füllen sich, es ist ganz und gar gruselig!

Wie sieht die Zukunft aus?
Solaranlagen kommen per Gesetz bald auf jedes Haus, denn das ist die Lösung!

Ein Pingpong zwischen Theorie und ungeübter Praxis geht da von statten.
Ein Kampf um Übereinkunft
Zwischen Fantasie und Wirklichkeit,
Experiment und Machbarkeit
Wirtschaft, Industrie, Geld und Vision
Zwischen Individualität, Neudenken und Tradition
Nachhaltigkeit: Eine Balance aus Ökonomie, Ökologie und sozialkulturellen Systemen
Puh! Diese Kombi allein ist schon gefüllt mit Problemen

Nachhaltigkeit, so scheint es, ist nichts für Fachidioten.
Wie wir mit der Umwelt umgehen ist so komplex, da ist Vorsicht geboten!
So viele Faktoren gibt’s zu betrachten
und der Impact des Bausektors ist wirklich nicht zu missachten.

Wir müssen flexibel bleiben, nicht all zu sehr festhalten
sondern lernen die Zukunft neu zu gestalten 
mit dem was schon da ist, 
was Erfahrungen zeigen und ab und zu muss man mal was vergeigen. 

Dieses ewige Wachstum, der Streit um Ressourcen, 
News flash: Wir sind immer noch dabei unsere Erde zu verwursten.

Doch weil nie was reicht muss immer was fehlen
Und im Kampf um diesen Maximalzustand rasen wir
- volle Kraft voraus - gegen die Wand!

Lasst uns also Zyklen entwickeln, die sich selbst ernähren 
und nur von regenerativen Ressourcen zehren.
Lasst uns den Mut haben in dieser schnellen Welt inne zu halten
Und mit recycle, upcyle, reuse, rebeauty Architektur statt neu - umzugestalten.
Die Beispiele häufen sich, alternative Ideen kann man ja schon hier auf diesem Campus sehen.

Wir alle, Architekturbegeisterten, Handwerksmeisternden, Bauherr*innen und Industrieleitenden
Sind daher dazu angehalten mitzutüfteln, kreativ zu werden, 
nach mehrfachem Scheitern zu gewinnen
Und kreisend dem frontalen Aufprall zu entrinnen.

Also, wie sieht die Zukunft aus?

Eine Patentlösung hat noch keiner raus.
Wir packen es an 
und zwar alle zusammen,
damit Architektur mehr leisten kann
Handwerk und Wissenschaft
Ping und Pong
werkelnde Köpfe und wissende Hände
nutzen gemeinsam das Spielgelände
Ambitionierte Erwartungen erfüllen sich nicht von allein.
lasst die Zukunft gut, wenigstens besser sein!


Über Anna Michelle Ußler und ihrem Slam
(in eigenen Worten)

Anna Michelle Ußler, Gewinnerin des 7. UrbanSlam der AKNW. Foto: Mathias Kehren
Anna Michelle Ußler, Gewinnerin des 7. UrbanSlam der AKNW. Foto: Mathias Kehren

Ich bin Master-Studentin an der Bergischen Universität Wuppertal und arbeite - auch in Wuppertal - derzeit in einem kleinen jungen Büro, welches dem Thema „nachhaltiges und klimagerechtes Planen und Bauen“ sehr zugewandt ist. Der Slam setzt sich mit der Thematik „zwischen Theorie und Praxis, Uni und Büro“ auseinander und fungiert als eine Art Erfahrungsbericht der programmierten Kollision zu Fragen über die Zukunft sowie der manchmal überfordernden Komplexität der Nachhaltigkeit. Erwachsen ist dies aus meinen ersten Arbeitserfahrungen im Architekturbüro sowie aus den sich überschlagenden Fragen während des Studiums und der Büroarbeit.

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