Die Essener Kreuzeskirche mit ihrem komplett neu gestalteten Innenraum war eine ausdrucksstarke Location für die vier Diskutanten: den Architekten Max Dudler, den Chefredakteur der Bauwelt, Boris Schade-Bünsow und Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen sowie den Architekt und Stadtplaner Prof. Kunibert Wachten als Gesprächsleiter.
Der völlig weiß gehaltene Kirchenraum wird mittels eines dezenten und dennoch effektiven Lichts inszeniert. Ganz in Blau waren Wände und Raum gehalten – eine einfache und dennoch eindrucksvolle Illumiation, die vielen der Besucher in Erinnerung bleiben wird. Genauso wie die ungewöhnliche Geschichte des Baus, der nach dem Krieg wiederaufgebaut, 1994 noch einmal saniert und 2014 dann neu gestaltet (Hannemann Architekten)wurde. Vor kurzem wurde er seinem erweiterten Zweck, sowohl Gotteshaus als auch Ort der Begegnung und kultureller Veranstaltungen zu sein, übergeben. Möglich gemacht haben das das finanzielle Engagement und die Kooperation von Privatleuten, Kirche, der Stadt Essen und dem Land NRW.
Zweifel an der Doppelnutzung
Ohne Zweifel: Entstanden ist ein wertiger Anlaufpunkt für die heruntergekommene nördliche Essener Innenstadt. Den Podiumsgästen ging die Umgestaltung nicht weit genug, Max Dudler wünschte sich eine viel krassere Änderung: „Man hätte alles weiß machen müssen, Boden, Stühle usw.“ Der Neuanfang, die Neuausrichtung des Baus wäre dann schlagkräftiger, deutlicher inszeniert gewesen, kurz: ein Kunstprojekt wäre entstanden. Überhaupt zweifelte das Fachpodium an, dass der Raum der Doppelnutzung – Gottesdienste und unterschiedlichste Kulturveranstaltungen – gerecht werde. Jede dieser Nutzungsformen bräuchte ihre eigene architektonische Inszenierung. Seit Ende 2014 herrscht in dem Kirchengebäude neuer Betrieb. Es wird sich also zeigen, wie er sich im Alltag bewährt.
Signalfassade
Das zweite Projekt, dem sich das Podium widmete, war die 2013 eingeweihte Junioruniversität in Wuppertal mit ihrem amöbenartigen Grundriss und ihrer mit bunten Streifenelementen verkleideten Fassade (Hans Christoph Goedeking und Josef Johannes Niedworok). Sie steht zeichenhaft optimistisch auf einem ehemaligen Brachgrundstück am Ufer der Wupper mit Blick auf die Schwebebahn – irgendwie im Hinterhof des Stadtteils Barmen. Hier werden Seminare und außerschulische Bildungsveranstaltungen für junge Menschen im Alter von 4-20 Jahren angeboten. Auch im Inneren spielt Farbe eine Rolle: als Orientierungshilfe für die Besucher.
Ufoartig fremd empfand Boris Schade-Bünsow das Gebäude an diesem Ort, gestand aber ein, dass die bunte Fassade offensichtlich dazu beiträgt, dass sich die Bürger angesprochen und wohl fühlen. Das Gebäude vermittelt sich über die Signalfassade sehr gut. Max Dudler zweifelte die Dauer dieses Effekts an: „In fünf Jahren redet keiner mehr von dem Projekt“. Solch bunte Farbkonzepte seien ohne Kontinuität und anbiedernd. Für Brigitte Franzen war der Innenraum zu „durchdefiniert“. Kreativität braucht Gestaltungsfreiraum – Räume, die nicht eine jeweilige Tätigkeit oder Funktion vorschreiben.
Diffusion in die Stadt
Das neue Museum für Kunst und Kultur in Münster (Staab Architekten) war zum Abschluss Gegenstand der Diskussion. Es entstand gegenüber dem historischen Museumstrakt und auf der Fläche des abgerissenen Neubaus aus den 1970er Jahren. Zur Lage in der Stadt: Es ist umgeben von zahlreichen anderen Kulturbauten und versucht, sich mit der Umgebung zu verzahnen. Das wird zum Beispiel mittels Durchführung eines Fußwegs durch das Erdgeschoss einer Gebäudespitze erreicht. Boris Schade-Bünsow empfindet das als gut gelungen: „So kann man viele Besucher einfangen und Kunst sichtbar machen“.
Das Museum diffundiert in die Stadt: Das Erdgeschoss ist eine völlig öffentliche Fläche, die jenseits des Museumsbesuches genutzt werden kann. Rundgänge um eine Folge von Höfen machen den Innenbereich des Museums aus, die unterschiedliche Farbgebung der Ausstellungsräume fällt deutlich aus. Hier mussten natürlich auch immer die Kuratorenwünsche berücksichtigt werden.
Aber: Für Brigitte Franzen kommt die Innenaufteilung „etwas gequält“ daher, die Raumzuschnitte seien „wundersam“. Die Farbgebung ist Gliederungshilfe und Muntermacher, die Wände insgesamt seien aber „oft zu schön“, um Kunst angemessen zu präsentieren. Ein Schlusswort von Max Dudler: „Ein Museumsbau muss aber der Kunst dienen, Räume dürfen nicht als Selbstzweck entwickelt werden.“