07.08.2024
Urbane Räume erkunden
Die Gelsenkirchener Buchhandlung „readymade“ lädt am Samstag, 7. September 2024, um 16 Uhr zu einem Stadtspaziergang und einer Buchpräsentation mit Kathrin Wildner ein. Baukultur NRW unterstützt die Veranstaltung.
Wissen ist Standortfaktor und Entwicklungsmotor für die Stadtentwicklung. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es mehr braucht als die bloße Ansiedlung von Bildungsangeboten und -institutionen. Denn Bildung soll nicht nur (im Sinne von Schulabschlüssen) erfolgreich sein, sondern auch nachhaltig zu eigenständigem Lernen motivieren.
Verschiedenste Formen und Konzepte von Bildung und Lernen sollen in Verbindung mit Partizipation dafür sorgen, dass in Gelsenkirchen nicht nur Wissen, sondern Lern- und Gestaltungskompetenzen vermittelt und erworben werden. Dafür setzen die Akteure vor Ort auf ganz unterschiedliche Ideen, die jedoch unter dem Dach der "Lernenden Stadt/Learning City" das gleiche Ziel verfolgen: Gelsenkirchen zu einer l(i)ebenswerten Stadt mit Zukunft zu entwickeln.
Gelsenkirchen zu einer Lernenden Stadt zu entwickeln, ist zum einen der Ansatz des städtischen Beitrags zumWettbewerb "Zukunftsstadt 2030+" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). 2015 startete Gelsenkirchen unter dem Titel "Lernende Stadt - Bildung und Partizipation als Strategien sozialräumlicher Entwicklung" in den Wettstreit mit weiteren 50 Kommunen aus dem gesamten Bundesgebiet. Dabei entwickelte die Stadt im Zuge von Stufe 1 in der Zusammenarbeit von Akteuren aus Stadtgesellschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft eine "Vision 2030+". Das als Ergebnis von Workshops und Konferenzen formulierte Zukunftsbild zeigt ein Gelsenkirchen, wie es sich die Beteiligten im Jahr 2030 und darüber hinaus vorstellen.
Aufbauend auf die Erfahrungen und Auszeichnungen in den Bereichen Bildung und "Bildung für Nachhaltige Entwicklung" (BNE) sehen die Akteure das Potenzial, den aus dem Strukturwandel folgenden wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gelsenkirchens über die Lernende Stadt zu begegnen. Der dazugehörige Begriff der "Zukunftsbildung" umfasst verschiedene Konzepte wie formale, außerschulische, informelle Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung oder Lebenslanges Lernen und soll möglichst viele Alters- und Gesellschaftsgruppen erreichen.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Verbindung von Lernen und Partizipation: Durch die Beteiligung von Akteuren an Prozessen lernen diese durch und mit Partizipation, was eigenmotiviertes Handeln und Lernen fördert. Kurz gesagt geht es um die Vermittlung von Lern- und Gestaltungskompetenzen, die dazu befähigen sollen, selbst entscheiden zu können, was und wie man lernen möchte. Die so motivierten Akteure sind in der Lage, den nachhaltigen Stadtentwicklungsprozess ihrer Stadt nach ihren Erkenntnissen und Vorstellungen zu gestalten.
Die Vision umfasst neun Handlungsfelder, die zur Orientierung auf dem Weg zur Umsetzung der Vision bis 2030 dienen. Dazu gehören beispielsweise "Verbindung von schulischer und außerschulischer Bildung", "Lernen mit neuen Medien", "Lebenslanges Lernen" und "Stärkung der Stadtteile und Quartiere", die über den (Sozial-)Raumbezug und das Thema der nachhaltigen Stadtentwicklung in den Stadtraum getragen werden sollen.
Überzeugt von der Vision, wählte die Jury Gelsenkirchen als eine von 20 Kommunen aus, die in Stufe 2 des Bundeswettbewerbs einzogen. Seit Anfang 2017 arbeiten die Akteure an einem Planungs- und Umsetzungskonzept, mit dem sich die Stadt für Stufe 3 des Wettbewerbs bewerben wird. Dazu wird unter Berücksichtigung der Handlungsfelder in drei Fachgruppen (Stadtteile/ Quartiere, Lernorte, Neue Medien) über konkrete Maßnahmen beraten und Konzepte zur Umsetzung formuliert. Je ein Forschungsinstitut aus der Region begleitet und berät eine Fachgruppe wissenschaftlich.
Zu den angestrebten Projekten gehören unter anderem: eine online-basierte "Wissenschaftsplattform", die Wissenschaft und Stadtgesellschaft in konkreten Projekten in einer Erweiterung des Konzepts Citizen Science zusammenführen soll und der "Gelsenkirchen Avatar", der als App im Gamification-Prinzip Lernen im Stadtraum unterstützen soll. Die beteiligten Akteure aus Stadtgesellschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten zusammen, treten in Dialog und vernetzen sich über Workshops und Konferenzen miteinander. Der Prozess ist weiterhin für Akteure aus der Stadtgesellschaft offen, sie können mitgestalten und ihre Ideen in den Fachgruppen oder auf der digitalen Pinnwand von Gelsenkirchen einbringen.
Der Beteiligungsprozess wird im April 2018 vorerst abgeschlossen, danach wird an der Bewerbung für Stufe 3 gearbeitet. In dieser kommenden Wettbewerbsphase werden in mindestens fünf ausgewählten Kommunen die jeweiligen Maßnahmen in einem mit einer Fördersumme von jeweils einer Million Euro gefördertem Reallabor erforschend umgesetzt. Erste Impulse konnte der Gelsenkirchener Beitrag "Lernende Stadt" für die Stadtentwicklung setzen und wird das auch über den Wettbewerbszeitraum hinaus tun.
Das Konzept der „Lernenden Stadt“ wird in Gelsenkirchen zum anderen aber auch über das „UNESCO Global Network of Learning Cities“ (GNLC) verfolgt. Mit zurzeit 119 Mitgliedern (Tendenz steigend) weltweit setzt das internationale Netzwerk auf Erfahrungsaustausch, Transfer und Kooperation im Bereich Bildung und Lebenslanges Lernen unter Berücksichtigung der Sustainable Development Goals, den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.
2016 trat Gelsenkirchen per einstimmigem Ratsbeschluss als erste deutsche Stadt dem GNLC bei und wurde im September 2017 im irischen Cork mit dem UNESCO Learning City Award ausgezeichnet. Die Stadt konnte mit seit Jahrzehnten gewachsenen Strukturen und umfassenden Konzepten im Bildungsbereich sowie mit dem partizipativen Ansatz des Zukunftsstadt-Prozesses überzeugen. Die Akteure in der Stadt verstehen den Preis als Ansporn für die weitere Arbeit, um Gelsenkirchen zu einer l(i)ebenswerten Stadt zu machen.
Ein wichtiges Element im Prozess der Lernenden Stadt bzw. Learning City Gelsenkirchen, bildet die Zusammenarbeit mit VertreterInnen der Wissenschaft. Die vom Museum für Architektur und Ingenieurskunst NRW organisierte Ausstellung „Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen“ kann in diesem Zusammenhang dazu beitragen, unterschiedliche Impulse zu setzen.
Sie hilft dabei, die Verbindung mit der Forschung der Region zu stärken, wie die Kooperation mit dem Fachgebiet für Bauleitplanung an der Technischen Universität Dortmund zeigt. Gerade der Input der angehenden, jungen WissenschaftlerInnen bietet eine frische wie kritische Perspektive auf Gelsenkirchen und ihre Möglichkeiten. In der Auseinandersetzung mit dem Stadtraum lernen sie etwas über die Eigenlogik einer Stadt bzw. eines Quartiers und wenden das im Studium theoretisch vermittelte Wissen praktisch an.
Im Dialog mit den BewohnerInnen des Stadtteils Ückendorf und bei der Erarbeitung von Ausstellungsbeiträgen ergaben sich wertvolle Einsichten aus dem Spannungsfeld zwischen Innen- und Außenwahrnehmung. Die beispielhafte Übertragung und Anwendung ausgewählter Ideen aus dem ursprünglichen „Planetary Urbanism“-Wettbewerb auf Gelsenkirchen und den Stadtteil Ückendorf machen wissenschaftlich gestützte Ideen sicht- und greifbar, wodurch die kritische Diskussion über nachhaltige Stadtentwicklung anschaulich fundiert wird.
Auf diese Weise wird der den Wissenschaftspark umgebende Untersuchungsraum Gelsenkirchen-Ückendorf erschlossen und für die BesucherInnen der Ausstellung ein lebendiger Teil des Programms. Der als „Problemviertel“ deklarierte Bereich um die Bochumer Straße, der als Strategie gegen die dort virulenten Symptome der Herausforderungen des Strukturwandels und der Zuwanderung aus Südosteuropa als „Kreativquartier“ entwickelt werden soll, kann als Möglichkeitsraum begriffen werden. Diesen gilt es, zukünftig innovativ zu gestalten.
Durch die lösungsorientierte Bearbeitung von globalen Herausforderungen auf der lokalen Ebene und den internationalen Transfer von Erfahrungen und Lösungen knüpft "Planetary Urbanism" an die Idee des UNESCO Global Network of Learning Cities wie auch an die Agenda 2030 an. Letzterer trat Gelsenkirchen ebenfalls per einstimmigem Ratsbeschluss bei. Deutlich wird daran der Willen, aufbauend auf die Erfolge des aGEnda 21-Büros über das Thema „kommunale Entwicklungszusammenarbeit“ die Sustainable Development Goals systematisch in Gelsenkirchen und Partnerkommunen weltweit zu verankern. Die Stadt begreift sich in die voranschreitende Globalisierung eingebettet; sie bringt sich nicht trotz, sondern wegen der eigenen angespannten Lage in die Arbeit an den Nachhaltigkeitszielen ein.
Im Sinne des Zukunftsstadtprozesses fördert die Ausstellung des M:AI NRW die Entwicklung der Lernenden Stadt/ Learning City Gelsenkirchen. Sie bedient Handlungsfelder wie "Stärkung der Stadtteile und Quartiere", "Stärkung von außerschulischen Lernorten" und "Lebenslanges Lernen", ermöglicht Vernetzung, Austausch sowie Transfer und schafft einen temporären Lernort, der wissenschaftliche Inhalte aufbereitet und im Stadtraum praktisch erfahrbar macht.
Die Website des aGEnda-21-Büro
Die Facebook-Seite der Zukunftstadt 2030:
Projektseite "Planetary Urbanism + Learning City Gelsenkirchen"