Die Situation für Museen ist in Zeiten von Corona schwierig. Erst komplett geschlossen, dann unter Restriktionen für Besucher geöffnet. Ursula Kleefisch-Jobst, Generalkuratorin des Museums der Baukultur NRW über den einmaligen Dialog mit der Kunst.
„Wenn Du mich fragst, was Kunst sei, so weiß ich es nicht. Wenn Du mich nicht fragst, weiß ich es.“ (El Lissitzky)
Nun öffnen sie wieder! Die Museen schließen ihre Portale auf, damit Menschen wieder die Sammlungen und Dauerausstellungen besuchen können. Und auch Ausstellungen, die im Shutdown der Corona-Pandemie plötzlich nicht mehr zu sehen waren. Touristen sind bislang noch wenige unterwegs, also öffnen die Museen vor allem für das heimische Publikum, für die Nachbarn. Werden sie kommen?
In den vergangenen Wochen haben viele Museen große Anstrengungen unternommen, ihre Sammlungen und Ausstellungen im Netz zu präsentieren. Man sah einsame Kuratoren in menschenleeren Sälen vor Kunstwerken stehen und nach Worten ringen, um nicht nur zu beschreiben, was man sehen würde, sondern vor allem auch was das Besondere ist.
Digitalisierte Meisterwerke
Die großen Sammlungen haben schon lange vor der Corona-Pandemie angefangen, ihre Meisterwerke zu digitalisieren und auf ihren Internetseiten zu präsentieren. Die Größe des Kunstwerkes hängt dann nur noch von der Größe des individuellen Bildschirms ab, und Details kann man heranzoomen, wie es vor dem Original stehend nicht möglich ist.
Der Druck auf die Museen war schon lange groß, ihre Ausstellungen im Netz und den Sozialen Medien zu präsentieren, um auch durch mehr likes und followers die Besucherzahlen zu steigern. Heute haben Museen zwei Arten von Besuchern: die, die physisch in ihre Häuser kommen; und die, die ihre Aktivitäten im Netz verfolgen. Sicherlich, Inhalte können im Netz vielfältig und mit großem Sachverstand aufbereitet werden und sind dann für viele Menschen zugänglich. Das Entscheidende aber fehlt.
Beziehung zwischen Betrachter und Werk
Ein Kunstwerk entfaltet seine Kraft immer erst im Dialog zwischen Betrachter und Werk. Es ist ein physischer, emotionaler und sehr persönlicher Akt, den wir mit all unseren Sinnen erleben. Erläuterungen können Anregungen geben, das Sehen schärfen, aber sie vermitteln nichts von der Aura eines Kunstwerkes. Darum lieben wir die Kunst und haben sie in den letzten Wochen – hoffentlich – schmerzlich vermisst.
Es freut mich, dass die Museen wieder geöffnet sind. Auch wenn noch keine Führungen stattfinden können und Veranstaltungen nur in begrenztem Rahmen möglich sind, lohnt sich ein Besuch. Museen sind wunderbare Orte, um sich treiben zu lassen und den eigenen Gedanken nachzuhängen. Kunstwerke sind anregende, wenn auch stumme Dialogpartner. Es braucht nicht immer Erklärungen und Bewertungen.
Persönlicher Dialog mit dem Lieblingswerk
Ich wünsche mir, dass die Museen nach der Krise ihre ganze Kraft auf die Präsentation ihrer Kunstwerke richten. Das ist ihre genuine Aufgabe. Präsentationen im Netz sind ein wichtiges Zusatzangebot, aber sie ersetzen nicht den sinnlichen und persönlichen Dialog zwischen Betrachter und Kunstwerk.
Machen wir uns auf in das Museum in unserer Nähe und entdecken unser Lieblingswerk, das nicht dem im Netz verbreiteten Kanon entsprechen muss. Denn: Es ist unser ganz persönliches Lieblingswerk.
Hinweis: Der Artikel erschien ursprünglich in der Mai-Ausgabe des Magazin KulturNews. Für das Blog wurde er geringfügig aktualisiert und angepasst.
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