26.09.2015
Positionen Schweizer Architekten
Architektur aus der Schweiz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein internationales Renommee erarbeitet.
Langsam zieht die Kette die Kugel hinauf, immer höher; gemächlich erreicht sie das obere Ende des Stabhebewerks. Dann geht es abwärts, die Kugel saust die Bahn entlang. Über Holz und Aluminium, durch Glas und auf Kupfer. Etwa sechs Minuten dauert es, bis sie am Ende auf den Boden der Halle fällt. Sechs Minuten, in denen der Betrachter sich in seinen Gedanken zwischen Kindheitserinnerung und Kunstinstallation verliert, zwischen gekonnter Konstruktion und leichtem Spiel.
Was die fünf Büros Vécsey Schmidt Architekten, Bureau A, BHSF, Pascal Flammer und LVPH architectes mit ihrer Kügli-Bahn im Rahmen der M:AI-Ausstellung „Positionen Schweizer Architekten“ geschaffen haben, ist eine beeindruckende Installation, die den StadtBauRaum mit seiner Geschichte ausfüllt. Gerade dieser historische Hintergrund hat den Schweizer Architekten die Chance geboten, den Raum für sich zu gestalten, seine Beschaffenheit zu betonen und die gemeinsame Installation mit der Geschichte des Ortes zu verbinden.
Backstein und Putz mit Schmuckelementen im Jugendstil zeugen von der Vergangenheit – Assoziationen, hervorgerufen durch die Fassade des StadtBauRaums in der Boniverstraße 30 in Gelsenkirchen-Feldmark. Die dortige Maschinenhalle war im Jahr 1908 für die Seilfahrt und Bewetterung des Schachts 8 der Zeche Consolidation eingerichtet worden. Nach knapp 80 Jahren Arbeit im Bergwerk wurde im Jahr 1984 die Schachtanlage geschlossen, die Gebäude der Nebenanlage des Bergwerks Consolidation stehen heute unter Denkmalschutz. Gegen Ende der 1980er-Jahre hat die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft das Torhaus, die Lohnhalle und Kauengebäude zu Eigentumswohnungen umgebaut.
Die Maschinenhalle – dort, wo derzeit die Kügli-Bahn der Schweizer Architekten aufgebaut ist – wurde auf Initiative des Bundes Deutscher Architekten, der Stadt Gelsenkirchen und der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft zu einem Veranstaltungsraum umgebaut. Und den nutzt zum Beispiel das Museum für Architektur und Ingenieurkunst für Veranstaltungen wie etwa am kommenden Mittwoch, 4. November, um 19 Uhr für eine Diskussion über die Beziehung zwischen Bauherr und Architekt.
Die Maschinenhalle ist weitgehend unverändert geblieben; der markanteste Eingriff des verantwortliche Büros Prof. Herbert Pfeiffer, Christoph Ellermann und Partner ist der Betonkubus mit Glashaut vor der Halle. Dies hat nicht nur optische Raffinesse, sondern auch energetische Vorteile: in Form einer Zwischenklimazone, die den Neubau aus Sichtbeton umgibt. Dort befinden sich heute Eingangsbereich und Tagungsräume. Ein Gang aus Glasbausteinen verbindet Kubus und Maschinenhalle, Neues und Altes.
Ihr historisches Gewand trägt die Maschinenhalle weiterhin – die Jugendstilfenster mit Einfachverglasung und filigranen Profilen. Ebenfalls erhalten haben die Architekten die Bodenbeläge und die Wandfliesen. Restauriert wurden Kranbahnen und Bewetterungskamine.
Die Besucher, die derzeit den StadtBauRaum besuchen (die aktuelle Ausstellung ist noch bis Samstag, 8. November 2015, zu sehen), stellen fest: Die gesamte Installation, der Verlauf der Kügli-Bahn durch den Raum, der Transport der Kugel hinauf und deren Lauf hinab – all das erinnert als Konstruktion an eine Maschine, wenn auch in verspielter Form. Der Lauf der Kugel verweist auf den Lauf der Zeit – in einem Raum, der als solcher von Veränderung erzählt. Von Maschinen, Technik und Arbeit – und ihrem Wandel.