Und noch nie war es so schwer, verlässliche Prognosen zu machen. Eine aktuelle Modellrechnung der NRW.Bank unter dem Titel „Zusätzliche Wohnungsneubaunachfrage durch die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Nordrhein-Westfalen“ hat eine solche Prognose gewagt. Laut dieser Modellrechnung beläuft sich die Zahl der Flüchtlinge, die nach Nordrhein-Westfalen kommen, in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt auf 400.000. Des Weiteren geht die Modellrechnung davon aus, dass davon rund 245.000 Menschen Bleiberecht erhalten werden und dass eine etwa gleichgroße Zahl von Menschen im Rahmen des Familiennachzuges nach Nordrhein-Westfalen kommen wird. Diese knapp 500.000 Menschen werden in Haushalten mit einer durchschnittlichen Größe von 2,5 Personen leben, so die Annahme. Unterm Strich bedeutet das, dass insgesamt 200.000 neue Haushalte entstehen, die eine Wohnung benötigen.
Die NRW.Bank belässt es aber nicht bei dieser Prognose, sondern gibt auch eine konkrete Empfehlung ab, wie diese 200.000 Wohnungen zur Verfügung gestellt werden können. Demnach sollen 80.000 Wohnungen im Leerstand bereitgestellt werden und die verbleibenden 120.000 Wohnungen im Neubau. Dass diese Zahlen auf bloßen Annahemen beruhen, verschweigen auch die Verfasser der Modellrechnung nicht. Denn im Leerstand könnten weitaus mehr Wohnungen bereitgestellt werden: In Nordrhein-Westfalen gelten rund 160.000 leerstehende Wohnungen als marktaktiv und könnten ohne größeren baulichen Aufwand genutzt werden. Eine ebenso große Zahl an leerstehenden Wohnungen gilt als nicht marktaktiv und könnte – zumindest teilweise – durch entsprechende Sanierungsmaßnahmen aktiviert werden.
Aber schon die Aktivierung der von der NRW.Bank empfohlenen 80.000 Wohnungen wäre eine große Leistung – und eine große Chance: für die vielen Quartiere in Nordrhein-Westfalens Städten, die unter den negativen Auswirkungen leerstehender Immobilien leiden, und für die Flüchtlinge, die im baulichen Bestand bessere Bedingungen für ihre erfolgreiche Integration finden können als in peripheren Neubauprojekten. Darum hat sich auch das nordrhein-westfälische Bauministerium diese Zahl im Rahmen der kürzlich gestarteten Wohnungsbauoffensive auf die Fahne geschrieben.
Erst die Leerstände von heute nutzen, bevor man riskiert die Fehler von gestern zu wiederholen und die Leerstände von morgen zu bauen! So ähnlich ließe sich das ehrgeizige Ziel interpretieren, 80.000 Wohnungen im Leerstand zur Verfügung zu stellen. Aber wie soll dieses Ziel erreicht werden? Unter der Schirmherrschaft des Ministeriums und des VdW Rheinland Westfalen wurde vor wenigen Tagen eine landesweite Online-Datenbank freigeschaltet. Ziel ist es, den Kontakt zwischen Städten und Vermietern zu beschleunigen. Vermieter können geeignete Wohnungen in die neue Datenbank einstellen. Städte und Gemeinden können die angebotenen Wohnungen anmieten und zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen.
Eine echte Offensive ist diese Datenbank nicht, sondern lediglich ein Angebot – ein Angebot, das bisher kaum genutzt wird. Aber selbst wenn das Interesse an diesem Angebot steigen sollte, bleibt zu bezweifeln, dass diese Maßnahme ausreicht. Wollen wir tatsächlich die Krise zur Chance machen und die Unterbringung von Flüchtlingen zur Revitalisierung benachteiligter Quartiere nutzen, dann sind noch andere Maßnahmen vonnöten.
Wie man Wohnungen in großer Zahl neu bauen kann, ist uns gut bekannt (auch die damit verbunden Risiken). Aber wie man Leerstände in großer Zahl aktivieren kann, wissen wir nicht. Dieses Wissen sollten wir uns schnell aneignen. Es könnte sich lohnen.
Weitere Informationen zur Wohnraumkarte zur Flüchtlingsunterbringung gibt es auf www.wohnraumkarte.de/refugees und unter www.vdw-rw.de.
Die Modellrechnung der NRW.BANK finden Sie als PDF-Download unter www.mbwsv.nrw.de/presse.