15.01.2024
Magazin „Grün“
Mit dem Blick auf das „Grün!“ bewegt sich das fünfte Magazin von Baukultur NRW durch eine Vielfalt an Perspektiven, Themen und Zusammenhängen.
Im urbanen Raum werden bei der Planung von Maßnahmen zur Klimaanpassung Gewerbegebiete bisher nur wenig berücksichtigt. Durch ihr großzügiges Flächenangebot bieten sie jedoch viel Potenzial und sollten auch im Zuge der Verbesserung von Arbeitsräumen mitgedacht werden. In der Regel sind diese Flächen weitestgehend versiegelt, die Beschäftigten reisen mit dem eigenen Pkw an, die Waren werden mit dem Lkw an- und abtransportiert und die Gewerbehallen wirken meist grau und wenig einladend.
Die Stadt Dormagen geht nun jedoch andere Wege und möchte den Bereich an der Alten Heerstraße zu einem grünen und nachhaltigen Gewerbequartier entwickeln. Das Instrument hierfür: der Bebauungsplan. Erarbeitet hat diesen das Team der Stadtplanung der Stadt Dormagen; vermarktet wird die Fläche von der SWD – Stadtmarketing- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dormagen mbH.
Das Einzigartige an diesem Projekt ist der Versuch, den Bebauungsplan gezielt einzusetzen, um Gewerbequartiere klimafreundlich, das heißt ressourcenschonend und energieeffizient zu gestalten. Auf circa 13 ha soll ein nachhaltiger Büro-, Dienstleistungs- und Produktionsstandort mit Betrieben des verarbeitenden Gewerbes aus den Bereichen Handwerk, IT-Wirtschaft, Kommunikations- und Hochtechnologie sowie Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen entstehen.
Der seit Januar 2023 rechtskräftige Bebauungsplan sieht für Gewerbestandorte eher unübliche Inhalte vor. Dabei wird klimafreundliche Energie von Beginn an mitgedacht: Auf allen Gebäudedächern innerhalb des Quartiers sollen zu mindestens 60 Prozent Photovoltaikanlagen angebracht werden. Gerade diese Maßnahme bietet sich für die großen und vorwiegend flachen Dächer in Gewerbegebieten besonders gut an. Die Stadt Dormagen setzt für die Unternehmen darüber hinaus Anreize, dass diese schon sehr hohen Festsetzungen noch einmal überschritten werden.
Die produzierte Solarenergie kann dabei auch direkt im neuen Gewerbequartier verwendet werden. Dies wirkt sich doppelt positiv aus. Einerseits werden im Gegensatz zu fossilen Energieträgern weder CO2- noch andere Luftschadstoffemissionen produziert. Andererseits reduziert die lokale Produktion die Abhängigkeit von Energieimporten und stellt somit die langfristige Bezahlbarkeit der Energie sicher.
Erdgas als fossiler Heizenergieträger soll in dem Quartier hingegen nicht angeboten werden, sodass die Betriebe auf regenerative und alternative Heizenergieträger zurückgreifen müssen, die vom örtlichen Energieversorger zur Verfügung gestellt werden.
Neben der klimafreundlichen Energieproduktion soll das Quartier auch spürbar und sichtbar grün werden. Der zugehörige Bebauungsplan sieht zusätzlich zu den Photovoltaikanlagen sowohl für flache als auch für geneigte Dächer eine extensive Begrünung vor. Dadurch wird das lokale Klima verbessert: Die Dachflächen bieten einen wichtigen Lebens- und Rückzugsraum für Insekten, filtern Luftschadstoffe und eignen sich besonders gut dafür, das anfallende Regenwasser zurückzuhalten. Das Regenwasser wird zudem naturnah auf dem eigenen Grundstück versickert.
Auch die Gebäudewände müssen zu 35 Prozent mit Fassadenbegrünung bepflanzt werden. Die großen, grauen und sehr verschlossenen Wände der Gewerbehallen wirken weniger monoton und werden optisch deutlich aufgewertet. Ein weiterer Effekt: Das Quartier ist besser in den umgebenden Landschaftsraum eingebunden. Zum Beispiel wurde der südlich angrenzende Holzweg zum Entspannen und Flanieren in den Mittagspausen angebunden.
Die Stadt Dormagen setzt des Weiteren auf die freiwillige Umsetzung von Maßnahmen durch die interessierten Unternehmen. Aus einem Katalog von 14 Maßnahmen aus den Bereichen Klimaanpassung und Biodiversität, erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie Mobilität können die Firmen freiwilligen Maßnahmen verwirklichen, die wiederum bei der Vergabe der Grundstücke positiv berücksichtigt werden. Bei Nachweis von umgesetzten Maßnahmen (z.B. durch ein Gold-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) reduziert die Stadt Dormagen zudem den Erbbauzins für die Dauer von fünf Jahren von fünf auf vier Prozent.
Für Mitte 2024 ist geplant, dass alle Grundstücke innerhalb des neuen Gewerbequartiers erschlossen sind und bebaut werden können.
Ort: Dormagen
Auftraggeber: Stadtmarketing- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dormagen (SWD)
Realisierung: ab Sommer 2023
Fläche: 13 ha