07.11.2023
„Unser aller Haus“
Studierende der TH Köln laden im Wintersemester 2023/2024 zu gemeinsamen Gesprächen ins „Pehnthaus“ – dem Wohnhaus des Architekturtheoretikers Wolfgang Pehnt – ein.
Wer Wolfgang Pehnt kennenlernen durfte, traf auf einen freundlichen, zurückhaltenden und ruhigen Mann, der, sobald es um Architektur und Stadtentwicklung ging, mit sehr wachen Augen und äußert anschaulich und kenntnisreich formulierte, was die Qualität des Bauens ausmacht und in welchen Prozessen Stadt entsteht.
„DIE ZEIT“ bezeichnete ihn einmal als einen „literarischen Glücksfall“, was er in der vielschreibenden Zunft von Architekturkennerinnen und Architekturkritikern ganz sicher war. Dieser Glücksfall zeichnete auch alle seine großen Buchpublikationen, Beiträge in Ausstellungskatalogen und vielen Artikel zur Architektur des 20. Jahrhunderts in Deutschland aus. Sie bleiben auch für nachfolgende Generationen ein Lesevergnügen.
Wolfgang Pehnt war – im altmodischen und dennoch besten Sinne – ein Bauhistoriker, der vom Objekt her analysierte und den Gesamtkontext erarbeitete. Sein über Jahrzehnte geschärftes Wissen hat er 2005 in seinem großen Überblickswerk „Deutsche Architektur seit 1900“ zusammengefasst (Die 2. Auflage erschien bereits 2006). Schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis, das nicht nur nach Jahrzehnten aufgeschlüsselt ist, sondern mit prononcierten Überschriften der einzelnen Kapitel aufwartet, zeigt die meisterhafte Beherrschung des Zusammenwirkens von Architektur und Städteplanung als Ausdruck politischer, sozialer und künstlerischer Entwicklungen.
Das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW und Baukultur Nordrhein-Westfalen haben immer wieder für Ausstellungen, Kataloge und Buchprojekte auf seine Expertise und fachliche Unterstützung zurückgreifen dürfen.
2010 schrieb er für das Begleitbuch zur Ausstellung „Dynamik +Wandel. Die Entwicklung der Städte am Rhein 1910-2010+“ einen Beitrag zur Architektur der 1920er Jahre zwischen Bonn und Duisburg mit dem prägnanten Titel „Gärende Zeit“.
Für die Vorbereitung der Ausstellung „Architektur im Aufbruch. Planen und Bauen in den 1960er Jahren“ konnten wir aus Wolfgang Pehnts drittem Band in der Reihe „Neue Deutsche Architektur“ (erschienen 1970) schöpfen, den er als Redakteur beim Deutschlandfunk verfasste. Dort bewertete er als Zeitzeuge die aktuelle architektonische Entwicklung der jungen Bundesrepublik in den 1960er Jahren. Seine Beurteilungen haben bis heute Bestand.
Für die von Norbert Hanenberg, Daniel Lohmann und Baukultur Nordrhein-Westfalen herausgegebene Publikation „Mies im Westen“ schrieb er den Beitrag „Ur-Ereignis des Bauens“ über die rheinische Architektenfreundschaft von Mies van der Rohe und Rudolf Schwarz.
Ein wirklicher Glücksfall ist es, dass sein privates Wohnhaus in Köln, ein eigenwilliger Bau von Wolfgang Meisenheimer aus dem Jahr 1977, seit Anfang 2023 als Studienhaus für Architekturgeschichte der TH Köln der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Das „Pehnt-Haus“ beherbergt die umfangreiche Bibliothek und die zahlreichen Manuskripte des Architekturhistorikers. Einen wahren Schatz an Wissen, vor allem aber eine Einordnung architektonischer Entwicklungen in zeitbezogene Zusammenhänge für Generationen.
Baukultur Nordrhein-Westfalen verabschiedet sich von Wolfgang Pehnt, der es immer verstanden hat, das architektonische Sehen zu schärfen und Verständnis und Begeisterung für das Bauen zu wecken. Die Kultur des Bauens verliert mit Wolfgang Pehnt einen besonders wichtigen Fürsprecher.
Ursula Kleefisch Jobst & Peter Köddermann
Peter Köddermann ist seit 2020 Geschäftsführer Programm von Baukultur Nordrhein-Westfalen.
Ursula Kleefisch-Jobst hat bis April 2022 als Generalkuratorin das Ausstellungsporgramm des Museums der Baukultur NRW verantwortet und bis 2020 als Geschäftsführende Generalkuratorin das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW geleitet.
Auch die Bewohnerinnen des Pehnt-Hauses sowie Daniel Lohmann von der TH Köln nehmen Abschied.