Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg.
Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg. Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

50 plus 1: Städtebauförderung – Über die Planung hinaus

Am 14. Mai ist Tag der Städtebauförderung. Für Baukultur Nordrhein-Westfalen ist das Anlass, auf beispielhafte nordrhein-westfälische Projekte der vergangenen 50 Jahre zu blicken.

Städtebauförderung – Über die Planung hinaus

Die Städtebauförderung feierte im letzten Jahr 50-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass möchte Baukultur Nordrhein-Westfalen bis zum anstehenden Tag der Städtebauförderung am 14. Mai 2022 interessante und beispielhafte Projekte vorstellen, die insbesondere baukulturell von besonderer Bedeutung sind.

Städtebauförderung ist ein Spiegel des planerischen Zeitgeists und schafft es somit Fragen und Herausforderungen der Planung und Gestaltung unserer Städte aufzudecken, neuzudenken und ihren Wandel zu unterstützen. Die Städtebauförderung in all ihren Facetten zu erfassen, darzustellen und eine Bewertung vorzunehmen, ist jedoch kaum möglich. Zu unterschiedlich sind die Räume, zu divers die Projekte und die unzähligen Perspektiven von Menschen, die das Programm der Städtebauförderung mit Leben gefüllt haben. Wenngleich es schwerfällt, sie in ihrer Gänze zu erfassen: Sie hat dennoch in nunmehr 50 Jahren Baukultur geschaffen – sie hat das Leben in den alltäglich genutzten Räumen geprägt und soziale Beziehungen in Nachbarschaften und Quartieren vermehrt.

Das Instrument der Städtebauförderung war dabei nie ein fertiges Produkt, sondern entwickelt sich noch heute genau wie die Städte weiter. Sie war nicht nur Stadtgestaltung, sondern auch immer Abbild von Anforderungen der Gesellschaft an ihre Städte und die gebaute Umwelt. Von der Entwicklung von der Kahlschlagsanierung zu einer „behutsameren Stadtentwicklung“ oder neuen Aufgaben in den Städten Ostdeutschlands nach der Wende: Das Programm passte sich veränderten Rahmenbedingungen an und suchte Antworten auf aktuelle räumliche Fragen. Ob mit experimentellem Städtebau oder dem Dialog mit den Bürger*innen: Die Städtebauförderung ist immer Abbild aktueller gesellschaftlicher Bedürfnisse und ihrer Anforderungen an Stadt und Raum.

Blog-Serie zum Tag der Städtebauförderung

In drei chronologischen Blog-Beiträgen stellen wir bis zum 14. Mai, dem Tag der Städtebauförderung (tag-der-staedtebaufoerderung.de), die mit Städtebaufördermitteln gestalteten Quartiersplätze, Bildungsbauten, Parks, Kultur- und Begegnungszentren vor:

  1. 1970er–80er Jahre: Was war? – Von der Flächensanierung zur erhaltenden Stadterneuerung
  2. 1980er–2000er Jahre: Transformation und Empowerment
  3. 2000er-Jahre bis heute: Kooperation und offene Ohren im Quartier

1970er–80er Jahre: Was war? – Von der Flächensanierung zur erhaltenden Stadterneuerung

Als die Städtebauförderung am 27. Juli 1971 mit dem Städtebauförderungsgesetz verabschiedet wurde, trafen in der Stadtplanung zwei gegensätzliche Entwicklungen aufeinander. Ungebremst war der Optimismus unter Planer*innen, mit einer funktional getrennten und aufgelockerten Stadt die Zukunft zu gestalten. Ungebremst war aber auch das Wirtschaftswachstum und der Wunsch nach ökonomischem Aufstieg: So wurden vor allem günstigere Alternativen verfolgt, wie der großflächige Abriss und Neubau von ganzen Arealen. In Berlin zum Beispiel wurden sogenannte Flächensanierungen durchgesetzt, die zur Folge hatten, dass rund 60.000 Wohnungen abgerissen wurden. Die Sanierungseuphorie löste sich aber schnell wieder auf, da sich die ökonomischen Bedingungen in der Gesellschaft veränderten. Der Massenabriss von günstigem Wohnraum passte nicht mehr zu den sinkenden Beschäftigungszahlen und der Arbeitslosigkeit. Man wandte sich schließlich von Flächensanierungen ab und etablierte stattdessen die „behutsame Stadtentwicklung“ mit Fokus auf Umbau und Bestandsnutzung.

Mit der Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetztes verfestigte sich dieser Kurswechsel und es etablierten sich neue Vorschriften: Vor Planung und Bau wurden nun auch sozial-räumliche Untersuchungen durchgeführt. Die Bedürfnisse der Menschen vor Ort sollten in den Fokus der Planer*innen rücken. Unrealistische Planungen für städtebauliche Sanierungen konnten angepasst werden und die Situation in den Untersuchungsgebieten vor Ort rückte als zentraler Bezugspunkt der Maßnahmen in den Fokus. Eine Aufgabe, die nicht allein durch Planer*innen umgesetzt werden konnte, sondern insbesondere die Mitwirkung der Bewohner*innen forderte. Eine neue Form der Zusammenarbeit, die Impulse in der Stadtplanung setzte.

RAVENSBERGER SPINNEREI BIELEFELD – ENGAGEMENT VON BÜRGER*INNEN FÜR DENKMALSCHUTZ

Zeitraum: 1974 (Entscheidung gegen Abriss)
Kosten: 9 Millionen D-Mark zur Erhaltung der Spinnerei
Fläche: Parkfläche 69.300 qm

Beschreibung

Die Ravensberger Spinnerei entstand in den Jahren 1854 bis 1860. 1968 erwarb die Stadt Bielefeld schließlich das Gelände – die vormals industriell genutzte Fläche sollte gerodet werden und Platz für einen Verkehrsknotenpunkt nach dem damaligen Leitbild der „autogerechten Stadt“ schaffen. Das Vorhaben stieß auf viel Gegenwind in der Bürgerschaft, die sich schließlich für den Erhalt des Gebäudes einsetzte und für seine Nachnutzung kämpfte. Unter Druck dieses Engagements, entschied sich der Stadtrat 1974 dann tatsächlich gegen den Abriss des Industriedenkmals. Stattdessen einigte man sich auf Umbau und Sanierung des Gebäudes durch den Architekten Peter Obbelode. Auch der Rest des Geländes wurde durch eine große Parkanlage aufgewertet und beherbergt heute u.a. die Bildungseinrichtung Arbeit und Leben Bielefeld e. V., das Historische Museum, das Museum Huelsmann, das Ordnungsamt der Stadt und eine Veranstaltungsräume in der Alten Hechelei.

Baukulturelle Aspekte

Ende der 1960er Jahre konnte man mit dem Begriff der Industriekultur noch nichts anfangen. Die Städtebauförderung ermöglichte damals in Bielefeld erstmals ein industriell geprägtes Gelände einem Imagewandel zu unterziehen und den anhaftenden Arbeitsgedanken hinter sich zu lassen. Die negative Wahrnehmung konnte so in Wertschätzung für den baulichen Bestand überführt werden und ist retrospektiv heute als ein Vorreiter für zahlreiche, später folgende Projekte der Umbaukultur von Industriebrachen anzusehen. Das Projekt der Ravensberger Spinnerei zeigt zudem, wie der Einsatz einer bürgerschaftlichen Initiative zum Erhalt eines Objektes und zu seinem Umbau beitragen konnte, sodass wir dort heute immer noch ein architektonisches Highlight bewundern können.

Die Ravensberger Spinnerei n Bielefeld im Stadtbezirk Mitte nach dem Erhalt. Foto: Thomas Neugebauer
Die Ravensberger Spinnerei n Bielefeld im Stadtbezirk Mitte nach dem Erhalt. Foto: Thomas Neugebauer
Historische Aufnahme der Spinnerei. Foto: Werner Busch / Archiv Stadt Bielefeld
Historische Aufnahme der Spinnerei. Foto: Werner Busch / Archiv Stadt Bielefeld
Proteste gegen den Abriss der Spinnerei. Foto: Werner Busch / Archiv Stadt Bielefeld
Proteste gegen den Abriss der Spinnerei. Foto: Werner Busch / Archiv Stadt Bielefeld

MAXIMILIANPARK HAMM - ERSTE LANDESGARTENSCHAU IN NORDRHEIN-WESTFALEN IM JAHR 1984

Zeitraum: 1981–1984
Kosten: 14.8 Millionen Euro
Fläche: 22 ha

Beschreibung

Das Gelände der ehemaligen Zeche Maximilian in Hamm-Werries lag nach Schließung der Kohleförderung Jahrzehnte lang brach. 1980 gewann die Stadt Hamm dann die Ausschreibung für die Austragung der ersten Landesgartenschau in Nordrhein-Westfalen. In diesem Zuge sollte aus dem ehemaligen Zechengelände eine eindrucksvolle Parklandschaft werden. Besonders ist diese – immer noch – vor allem durch den Einbezug von sowohl bereits entstandenen Sukzessionsflächen als auch noch erhaltenen historischen Backsteingebäuden in das damals neue Parkkonzept.

Baukulturelle Aspekte

Der Maximilianpark in Hamm ist ein gelungenes Beispiel für die Umnutzung eines brachgefallenen Zechengeländes. Das integrierte Planungskonzept, welches baulichen wie auch natürlichen Bestand behalten und nutzen wollte, war für die 1980er Jahre eine Innovation. Insbesondere zeichnete sich das Konzept jedoch dadurch aus auch Baukunst im Park einen Platz zu geben. Die ehemalige Kohlenwäsche wurde durch den Künstler Horst Rellecke derart umgebaut, dass ihre ursprüngliche Gestalt sich nur noch erahnen lässt. Er verwandelte das alte Backsteingemäuer durch einen Glasbau in einen übergroßen Elefanten. Dieses imposante Kunstobjekt wurde schnell zu einem neuen Wahrzeichen für die Stadt und ist bis heute im Park zu bestaunen.

Luftbildaufnahme Glaselefant im Jahr 1992. Foto: Rettig
Luftbildaufnahme Glaselefant im Jahr 1992. Foto: Rettig
Hallenschau „Gang in den Mai“. © Presseamt Hamm, Foto: Goebel
Hallenschau „Gang in den Mai“. © Presseamt Hamm, Foto: Goebel
Luftbildaufnahme vom Maximilianpark. © RP Münster
Luftbildaufnahme vom Maximilianpark. © RP Münster

STADTZEICHEN GEVELSBERG – KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Zeitraum: 1989
Kosten: 200.000 D-Mark Eigenanteil Wasyl Seniw

Beschreibung

Der Arbeiter und Bewohner Gevelsbergs Wasyl Seniw wandte sich Mitte der 1980er Jahre an den damaligen Stadtdirektor Volker Stein mit der ungewöhnlichen Bitte, den von ihm gesparten Betrag von rund 200.000 D-Mark für Kunst im öffentlichen Raum einzusetzen. Volker Stein war begeistert von der Idee und gab den Auftrag weiter an den Düsseldorfer Künstler Janusz Hajduk-Gubalke, der wenige Zeit später das „Gevelsberger Stadtzeichen“ entwarf und künstlerisch umsetzte.

Baukulturelle Aspekte

Ein Impuls aus eigenem Antrieb – das Gevelsberger Stadtzeichen prägt auch heute noch nachhaltig den ihn umgebenden Stadtraum. Das imposante Kunstobjekt ist von einer kleinen Idee, die Stadt aufregender und schöner zu machen, zum Wahrzeichen der Stadt geworden.

Kunst ermöglicht die Neuinterpretation des Raumes und kann Mittel sein, die eigene Umwelt zu gestalten. Das Projekt zeigt exemplarisch, dass auch individuelle Beteiligung und die eigene Antriebskraft für neue Akzente in der Stadtentwicklung sorgen kann.

Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg. Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg. Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg. Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Stadtzeichen auf der Ennepebrücke in Gevelsberg. Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
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