Collage: Workselfie – 2022 von Charlotte Kreiß; instagram.com/circlekreiss

Frau im Bau

„Wer hat eine Stimme und wer darf sprechen? Was ist relevant und wer entscheidet darüber?“, fragt Karin Hartmann in „Schwarzer Rolli, Hornbrille“. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März haben wir Frauen gefragt, wie es um Chancengleichheit in der Baubranche steht, und was es braucht, um eingeübte Strukturen aufzubrechen.

Kompetenzen und Netzwerke

„Fragt nach unseren Kompetenzen, nicht nach dem Geschlecht!“, fordert Ariane Breuer, Gründerin der Leerstandslotsen und Mitinitiatorin von Die Stadtretter. Katja Domschky, Architektin und Beraterin mit acube merkt an, dass Chancengleichheit selbst 2023 noch diskutiert wird, und spricht sich zum Überwinden struktureller Benachteiligung für eine befristete Quote aus. Sie ist Teil der Architektinnen Initiative (AINW), die drittstärkste Kraft in der Architektenkammer NRW.

Aktuelle Vorständin von AINW ist die Autorin, Architektin und Baukulturexpertin Karin Hartmann. „Auf vielen Ebenen nehme ich einen Wandel hin zu mehr Diversität wahr, jedoch müssen viele strukturelle Hürden noch abgebaut werden, um das volle Potenzial der Branche zu heben.“ Erläutert sie. Auf diese Entwicklungen und die Genese der Rolle der Frauen in der Architektur geht Sie auch in ihrem Buch „Schwarzer Rolli, Hornbrille“, 2022 im JOVIS Verlag erschienen, ein. Dabei geht es auch um Care-Arbeit, Teilzeitstellen, Sichtbarkeit und die Vorherrschaft der alten Männer ein.

Eine Baubranche, die vielfältig ist

Doch die „Die Macht der alten Männer ist vorbei. Erzähl es weiter”, zitiert Annabelle von Reutern, Head of Businessdevelopment bei Concular und Gründungsmitglied beim Verband für Bauen im Bestand e.V., das gleichnamige Lied von Paul Eisen. Darin klingt eine Kampfansage mit, die den Frust erkennen lässt, der sich bei FLINTA* bei dem Versuch zur aktiven Teilhabe in der Baubranche gerade bei jüngeren Generationen einstellt.

Auch Jana Heinemann, von Reutern und sie kennen sich von den Immofrauen, wo Heinemann Expertin für Nachhaltige Quartiersentwicklung ist, wünscht sich „eine Baubranche, die so vielfältig ist, wie die Nutzer*innen, für die wir bauen.“ Einen Hebel sieht sie in der Vernetzung und gegenseitigen Förderung von Frauen. Die Notwendigkeit „starke Netzwerke, Vertrauen und Respekt“ aufzubauen, sieht auch Universitätsprofessorin Dr. Renée Tribble, Fachgebietsleitung StädteBauProzesse an der TU Dortmund.

Die Bauwende als Chance für neue Vorbilder

Vernetzung ist eines der Stichworte aktueller Novellierungsprozesse in der Baubranche. Dabei geht es nicht nur um Chancengleichheit für FLINTA*, sondern um eine Globale Chancengleichheit, durch eine Klimagerechtigkeitsbewegung. Die 2019 gegründeten Architects for Future Deutschland e.V.  setzen sich für eine Bauwende ein. Ihre sieben Forderungen schließen Themen der Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und Sozialen Nachhaltigkeit mit ein. Laut Ihnen werden Klimagerechtigkeitsbewegungen und so „auch die Bauwende von FLINTA* vorangetrieben. Sie spüren den Druck zur Veränderung am deutlichsten.“

Haben sie gar eher die „Bereitschaft Verantwortung für nachfolgende Generationen zu übernehmen?", fragt Anne Albrecht, Leiterin der Faktor X Agentur der Entwicklungsgesellschaft Indeland. Bauwende-Themen wie Ressourcenschutz sind Frauen allzu vertraut, sagt Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, freie Mitarbeiterin von Baukultur NRW. „Werden die Fähigkeiten von Frauen nicht stärker eingebunden, wird eine der wertvollsten Ressourcen verschwendet.“

Monika Lichtinghagen-Wirts ist die Geschäftsführerin des Bergischen Abfallwirtschaftsverbandes. Sie sieht die anstehenden Herausforderungen nur durch „gleichberechtigte, auf Augenhöhe agierende und teamorientierte Mitarbeiter*innen“ gelöst, denn es braucht „innovative System- und Produktveränderungen und dynamische, zukunftsweisende Verfahrensweisen“.

Innovationen durch Diversität

Neue Wege für Innovationen entspringen besonders divers aufgestellten Teams, sieht auch Dr. Bettina Hartmann, Erfinderin und Leiterin der Asphalttechnik Bergisch Westerwälder Hartsteinwerke eine Zweigniederlassung der Basalt Actien Gesellschaft. Zusätzlich braucht es zu Realisierung von Projekten „Kritikfähigkeit, Ideenreichtum, Wo-Man-Power und eine vernünftige Streitkultur.“ Herausfordernde Innovationsprozesse können sich den Ausschluss von Qualifizierten Fachkräften ihnen zufolge schlicht nicht leisten.

Laut Gabriele Willems, Geschäftsführerin des Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) ist Gleichstellung dort schon gelebte Realität: „Mehr als die Hälfe der Mitarbeitenden sind Frauen – insbesondere auch in Führungspositionen. Wir sind die Frauen vom Bau und damit ein Vorbild.“ Damit erwähnt sie einen wichtigen Punkt. Die Notwendigkeit Vorbild zu sein und Vorbilder zu schaffen, die FLINTA* die Selbstverständlichkeit und das Selbstvertrauen an die Hand geben, sich in nicht Stereotyp geprägte weibliche Rollen zu begeben, sondern sich entsprechend der eigenen Fähigkeiten einzubringen.

 

Infobox FLINTA*

Laut dem wecf - Women in Europe for a Common Future steht FLINTA für Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, A-gender* und ist der Versuch, einen Ausdruck für eine Personengruppe zu finden, die nicht cis-männlich ist. LGBTQI* steht für Lesben, Gay, Bisexuell, Trans, Queer, Inter, * und schließt somit auch nicht-heterosexuelle Cis-Männer mit ein.

 

Der Instagram-Kanal von Charlotte Kreiß

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