Kluge Konzepte versus Flächenausweisung. Wie sich dem gesteigerten Bedarf an Bauland begegnen lässt
Im zweiten Teil der Serie zum Wachsen der Regionen, beschäftigt sich Ursula Kleefisch-Jobst mit Flächen. Welche Rolle spielt die Flächenausweisung? Und wie gehen Kommunen mit der Nachfrage nach Land um?
"Der höhere Wert, zu dem der Boden durch eine höhere Nutzung aufsteigen kann, schwebt als „floating value“ wie eine Wolke über der Landschaft. Jeder Bodenbesitzer glaubt oder hofft zumindest, diese Wolke werde ihren Segen gerade über seinem Grundstück entladen, und so hält er an seinem Grundstück fest, bis es, wenn auch erst nach langer Zeit, zu guter Letzt doch einmal für die höhere Nutzung benötigt und in Anspruch genommen wird."
Oswald von Nell-Breuning
Was der bekannte katholische Sozialethiker Oswald von Nell-Breuning hier so anschaulich beschreibt, ist ein altbekanntes Phänomen: Grund und Boden kann ein lukratives Spekulationsobjekt sein. Flächen sind begehrt, Flächenausweisung ist ein wichtiges Thema für Städte. Im Zuge der Debatte um sozialen und bezahlbaren Wohnraum wurde immer wieder angemerkt, dass die Kommunen, insbesondere in den Ballungsräumen, nicht mehr überausreichend Baulandreserven verfügen. Sowohl für den Wohnungsbau, als auch für Gewerbestandorte.
So wundert es nicht, dass in dem kürzlich ausgehandelten Koalitionsvertrag der neuen NRW-Landesregierung von CDU und FDP etwas zu diesem Thema – wenn auch noch sehr vage – zu finden ist. Den erst im Februar 2017 überarbeiteten Landesentwicklungsplan möchte man noch einmal überdenken, damit "die Kommunen mehr geeignete Wohnbauflächen bereitstellen können, … Gesetzlich erforderliche Kompensationsmaßnahmen sollen zukünftig nicht mehr in zusätzlicher Inanspruchnahme von Flächen, die über diejenige für das unmittelbare Vorhaben hinausgeht, sondern flächenschonend durch ein Punktesystem zur ökologischen Aufwertung bestehender Natur- und Brachflächen erfolgen." (Koalitionsvertrag, Thema Landesentwicklungsplan, S. 79).
Was hier anklingt, ist auch an anderen Stellen im Koalitionsvertrag zu lesen: für Baulandflächen sollen nicht Natur- und insbesondere landwirtschaftliche Flächen geopfert werden (Koalitionsvertrag, S. 88ff.).
Wie die Flächen in NRW genutzt werden
An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Flächenverteilung in NRW (siehe Abb. Katasterflächen NRW und im Detial die Broschüre "10 Fakten zur Flächennutzung in NRW" der IHK NRW). Nach dieser Erhebung sind 77 Prozent der Landesflächen sogenannter "Freiraum", also landwirtschaftliche Flächen, Wald, Wasser, Abbauland sowie sonstige Nutzungen im Außenbereich (Friedhöfe etc.). NRW hat - anders als vielleicht gefühlt - große Flächen für Naherholung und Landwirtschaft.
Wobei die urbane Landwirtschaft immer mehr versucht, einen Kompromiss zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Naherholung einzugehen. Mit Prozent 6,2 Prozent ist der Anteil der Flächen für den Wohnungsbau noch weit größer als für Gewerbe- und Industrie mit nur 2,2 Prozent. So wird auch deutlich, warum Kommunen heute dringend Flächen für Gewerbe- und Produktionsstandorte suchen. Hierbei wird es nur zu langfristigen Lösungen kommen, wenn die Kommunen über ihre Grenzen hinauszusammen arbeiten.
Der große "Freiraum" in NRW sollte aber nicht dazu verleiten, weitere Flächenausweisung für Neubauland für das Wohnen zu betreiben und so weitere Flächen zu versiegeln. Denn die Freiflächen sind auch wichtig Katalysatoren für das Klima. Vielmehr wird es darum gehen, die vorhandenen Reserven klug zu nutzen und sie dem freien Markt als Spekulationsobjekt zu entziehen. Das betrifft vor allem die Ballungsgebiete entlang der Rheinschiene, denn dort ist der Bedarf an Bauland groß (im Vergleich zu anderen Gebieten in NRW; siehe IW-Studie Wohnungsmangel in den Städten, Leerstand auf dem Land).Der Grund: Der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen in den vergangen Jahren ist durch einen verstärkten Zuzug enorm gestiegen. Die Architektenkammer NRW forderte bereits 2016 in ihrem "Impuls für den Wohnungsbau": "Überdies darf die Vergabe öffentlicher Grundstücke künftig nicht mehr nur im Höchstpreisverfahren geschehen, die Vergabe muss auch nach Konzeptqualität erfolgen."
Der Umgang mit Flächen
Es gibt Alternativen zur Flächenausweisung. Die Konzeptvergabe ist eine Möglichkeit, vorausschauend mit den Reserven umzugehen. Eine andere wäre die Vergabe auf Erbpacht. Dieses Prinzip wird in Wien seit mehr als 100 Jahren mit großem Erfolg praktiziert. Auf diese Weise behält die Stadt auch die Hoheit über die soziale Steuerung ihrer Stadtquartiere. Besonders klug ist eine Kopplung beider Prinzipien.
Ebenso gibt es den Weg, Boden zu besteuern. Bereits um 1900 forderten die deutschen Bodenreformer, den Wertzuwachs von Grundstücken mit einer Sondersteuer zu belegen, um die Bodenspekulation einzudämmen. Im März 2016 forderte das IW – Institut der Deutschen Wirtschaft Köln – die Grundsteuer für Baugrundstücke, die nach der zukünftigen Nutzung eines Grundstücks bemessen wird, durch eine Bodenwertsteuer zu ersetzen. Diese orientiert sich am Marktwert unabhängig von der Nutzung.
Eine sozialgebundene Grundstücksvergabe praktiziert die Stadt München seit einigen Jahren. Die Stadt vergibt Grundstücke zu einem einheitlichen, von der Lage innerhalb der Stadt unabhängigen Preis pro Quadratmeter Geschossfläche in einem Auswahlverfahren an Baugenossenschaften, Baugruppen oder Bauträger. In einem Zeitraum von 40 Jahren dürfen die Wohnungen ohne Zustimmung der Stadt nicht verkauft werden.
Geförderter und freifinanzierter Wohnungsbau Tür an Tür – dafür haben einige Kommunen in Deutschland in Neubaugebieten und bei Neubauprojekten bereits eine Prozentregelungeingeführt. Zum Beispiel gilt in Freiburg seit Mai 2016: Bei jedem Bauprojekt muss die Hälfte aus geförderten Mietwohnungen bestehen. Köln und Münster haben eine 30 Prozent-Regelung eingeführt. In Frankfurt gibt es bereits länger Projekte, in denen auf einer Etage geförderte und freifinanzierte Wohnungen nebeneinander liegen. Diese Lösungen helfen auch dabei, die Stigmatisierung des sozialen Wohnungsbaus abzubauen.
Um eine maßvolle und intelligente Nachverdichtungvon bereits bestehenden Wohngebieten – insbesondere der Siedlungen der 1950er- und teilweise der 1960er-Jahre – werden wir in den Ballungszentren nicht herumkommen. Siehe dazu auch den Aufruf der AKNW zu Urbanität und Dichte.
Es gibt sie also schon, die klugen Konzepte, um Wohnungsbau zu ermöglichen - ohne zusätzliche Flächenausweisung. Es gilt, sie auch anzuwenden.
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Streifzug durch Gelsenkirchen-Ückendorf: Studierende der TU Dortmund haben das Quartier rund um das UmBauLabor untersucht. Ihre Ergebnisse sind auf der Auftaktveranstaltung am 14. März zu sehen.
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