Ein großer Verlierer der Corona-Pandemie waren die Kultur und viele Kulturinstitutionen im Land. In der Stadt Marl muss das international renommierte Skulpturenmuseum Glaskasten mit einem weiteren Rückschlag umgehen, dem voraussichtlichen Verlust des Stammhauses. Ursprünglich für eine Sanierung vorgesehen, kann nun ein Ratsbeschluss dazu führen, dass das ausgelagerte Museum nicht zurückkehren kann in die angestammte Architektur. Einem Gebäude von hoher baukultureller Bedeutung Für die Stadt und für das Land Nordrhein-Westfalen.
Im folgenden der offene Brief von Peter Köddermann, Geschäftsführer Programm von Baukultur NRW an die Stadt Marl.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Arndt,
sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Marl,
im Namen von Baukultur Nordrhein-Westfalen: Verzeihen Sie meine Irritation zu den vielen Veröffentlichungen der letzten Zeit rund um den Umgang mit dem Projekt „Marschall 66“ und mein grundlegendes Unverständnis zur Ratsentscheidungen vom 15.12. und 22.12.2022.
Aus einer baukulturellen Sicht ist es nicht nachvollziehbar, dass eine Stadt wie Marl auf eines seiner imageprägenden Bauwerke, auf ein zentrales Element seiner inneren Stadtentwicklung und nicht zuletzt auf ein Kultur- und Bildungsinstitut mit internationalem Ruf und Renommee scheinbar und sehr kurzfristig gedacht einfach verzichten will. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem viele Städte im Land feststellen, wie wichtig eine bauliche- und räumliche Identität für die Entwicklung eines lebenswerten Stadtraumes ist. Es ist eine Zeit, die für eine prinzipielle Bauwende steht und die sehr klar dem Umgang mit Baubeständen und explizit dem Umgang mit denkmalwerter Bausubstanz eine weitaus höhere Wertschätzung entgegenzubringen hat als dem Abriss oder dem Verzicht auf ein falsch interpretiertes Bauwerk.
Die Architektur von Johannes Hendrik van den Broek und Jacob Berend Bakema (Gebäudekomplex) besitzt einen beeindruckenden Ensemblewert. Es existieren nicht viele Orte weltweit, die derart klar sowohl einen Zeitgeist auszudrücken vermögen, als auch im Stande sind, die Architektur mit der Kunst, die Kunst und den öffentlichen Raum sowie den Stadt- und Bildungsraum in einem sichtbaren und Dialog lebendig zu halten.
Mit einem Verzicht auf das Museum Glaskasten und sein Stammhaus erleidet die Stadt Marl einen nicht rückführbaren baukulturellen Schaden. Die ergangene Entscheidung zeigt keinerlei Empfindung zu einer baukulturellen Befassung mit wertvoller Architektur oder profilorientierter Stadtgestaltung. Sie lässt desgleichen jede kulturpolitische Wertschätzung für den Ort oder die wichtige Arbeit des Museums vermissen. In diesem Sinne ist das geplante Vorgehen für mich nicht annehmbar.
Ich wünsche Ihnen ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes und zukunftsgerichtetes Umdenken in Marl und hoffe auf eine positive Entscheidung zum Erhalt und zur Ertüchtigung des Museums Glaskasten.
Mit der Bitte um Weiterleitung dieses Schreibens an alle Ratsmitglieder der Stadt Marl und in Hoffnung auf eine Revision des ergangenen Beschlusses verbleibe ich mit
mit freundlichen Grüßen
Peter Köddermann,
Geschäftsführer Programm von Baukultur Nordrhein-Westfalen