Peter Köddermann zu „Alle wollen wohnen“ in Essen, dem Ruhrgebiet und der Inszenierung
Im ersten Teil der Interview-Serie "Drei Fragen an ..." spricht Peter Köddermann, Geschäftsführer Programm von Baukultur Nordrhein-Westfalen, über den Ausstellungsort Essen, die Verbindung zwischen dem Wohnungsbau und dem Ruhrgebiet und die Ausstellungssituation auf Zeche Zollverein.
Herr Köddermann, das M:AI verbindet den Spielort seiner Ausstellungen immer sehr eng mit seinen Ausstellungsthemen. Nun ist "Alle wollen wohnen" in Essen auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes zu sehen Ist bezahlbarer Wohnraum eine Ruhrgebietsfrage?
Peter Köddermann: Das Thema bezahlbarer Wohnraum ist längst zu einer gesellschaftlichen Frage geworden, die sich für ganz NRW in verschiedenen Zusammenhängen sehr aktuell stellt. Auch das Ruhrgebiet, als langjähriges Beispiel für schrumpfende Regionen bekannt, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Einige Städte der Region wachsen wieder und die Flächenreserven der ehemaligen Industriestandorte sind weitgehend aufgebraucht. Daraus folgt die Frage: Wo gibt es noch Flächen für dringend benötigte Bauvorhaben? Dies betrifft in besonderer Weise auch den geförderten Wohnungsbau. Und das macht es nicht einfacher, diesen als wichtiges Element der Stadtentwicklung im Ruhrgebiet durchzusetzen. Das Ruhrgebiet ist verpflichtet, über seine zukünftige Urbanität nachzudenken.
Wie passen dann Aussagen der Ausstellung zur Situation in der Region?
Peter Köddermann: Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt nach Qualitäten im bezahlbaren und geförderten Wohnungsbau im Ruhrgebiet zu fragen. Dass gebaut werden muss, sagen alle beteiligten Akteure und die Politik. Wie gebaut werden kann, hängt aber von sehr unterschiedlichen Rahmenbedingung ab. Ob das aktuell realisierbare Angebot an Wohnungsbau zu dem Bedarf nach und den Erwartungen an gutes Wohnen passt, ist zu diskutieren.
Die Ausstellung präsentiert unterschiedliche Ansätze für den sozialen Wohnungsbau in der Vergangenheit, aber auch für die Zukunft. Ich würde mir wünschen, dass ein Ausstellungsbesuch zu einem Impuls wird, die Fragen nach Aufgaben, Zielen und der Gestaltung des Wohnungsbaus als wichtige Elemente der Stadtentwicklung des Ruhrgebiets neu zu bewerten. Das Ruhrgebiet war die letzten 250 Jahre ein außerordentlicher Raum. Es könnte ja auch ein besonderer Ort für herausragenden Wohnungsbau werden und eine neue Stufe des viel beschriebenen Strukturwandels auslösen.
Erwartet man auf dem Welterbe Zollverein die Frage nach bezahlbarem Wohnraum? Und was macht den Reiz von Halle 5 als Spielort einer Ausstellung aus?
Peter Köddermann: Für das M:AI ist es spannend, Zollverein-Besucher mit dem „Wohnen“ zu überraschen. Ist das Thema doch auf den zweiten Blick sehr eng mit der Geschichte des Ortes verwoben. Die Zechenanlagen von Zollverein waren die Quelle zur Stadtentwicklung des heutigen, nördlichen Essen. Ohne Zollverein wären viele Wohnquartiere, ganze Stadteile nicht entstanden. Für die Zollverein-Unternehmer war die Frage der Bindung ihrer Arbeiterschaft an den Arbeitsplatz immer zentral, und so waren sie verpflichtet, frühzeitig bezahlbaren Wohnungsbau um Zollverein zu realisieren. Was bezahlbares Wohnen im Wohnungsbau von Unternehmen der vergangenen 200 Jahre ausmachte, kann man heute um die Ausstellung herum noch in den angrenzenden Stadtteilen ablesen. Für die Zukunft wird es wichtig werden, sich mit der Qualifizierung des Bestandes und der Platzierung neuer Wohnquartiere auseinander zu setzen.
Die Halle 5, ursprünglich entwickelt und realisiert von Fritz Schupp und Martin Kremmer, lässt die begehbaren Ausstellungsmodule in einer besonderen Weise sichtbar werden. Die sehr funktionale, klare Gebäudekubatur umfasst die Ausstellungsmodule und lässt sie spielerisch erscheinen. Das erzeugt eine besondere Szenografie im Raum. Form und Farben, Licht und Raum erzeugen eine besondere Ausstellungsatmosphäre.
Die traditionsreiche Vortragsreihe der Baukunstklasse an der Kunstakademie Düsseldorf wird fortgesetzt. Am 22. Mai geben Harquitectes und Florian Voigt Einblicke in ihre Arbeit. Baukultur NRW unterstützt das Projekt.
Die traditionsreiche Vortragsreihe der Baukunstklasse an der Kunstakademie Düsseldorf wird nach langer Corona-Pause fortgesetzt. Montagabends, zweimal im Semester geben Referent*innen aus Architektur, Kunst, Design und Theorie Einblicke in ihre Arbeit.
Nun heißt es zusammenrücken: Passend zum Thema "Urbanität und Dichte" ergänzt die Architektenkammer NRW die M:AI-Ausstellung "Alle wollen wohnen. Sozial. Gerecht. Bezahlbar" in Essen mit einem Schaumodul.
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